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Potsdam-Mittelmark: Ende durch Brandschutz

Eine Senioren-WG in Wilhemshorst muss schließen, weil die Betreiber massive baupolizeiliche Auflagen nicht mehr tragen können

Von Eva Schmid

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Michendorf - Die Koffer stehen schon im Flur. Sieben Bewohner der Wilhemshorster Senioren-WG müssen in hohem Alter noch mal umziehen. „Die 42 000 Euro teure Brandschutzanlage hat uns das Genick gebrochen“, sagt Betreiberin Ulla Begemann. Die „Villa Domizil“, ein familiäres Wohnprojekt, sei finanziell nicht mehr tragbar. Zum Ende des Monats wird das denkmalgeschütze Haus An den Bergen 54 geschlossen.

Seit der Eröffnung der Villa 2006 schwelt zwischen der Betreiberin und der mittelmärkischen Bauaufsicht ein Streit. Aus Sicht der Baubehörde zählt die Senioren-WG zu den Sonderbauten und muss ähnliche Auflagen erfüllen, wie sie etwa an Krankenhäuser und Pflegeheime gestellt werden. Begemann kann nicht verstehen, warum eine so kleine Wohnform so heftig beauflagt wird.

„Ich wollte aus der Villa eine Pension machen statt eines sterilen Heims.“ Selbstbestimmt und eigenständig – das war der Ansatz. Die familiäre Unterbringung wird nicht nur von Bewohnern geschätzt, sondern auch von Angehörigen. „Hier leben die Eltern in Würde und werden nicht irgendwohin weggesteckt“, sagt die Berlinerin Karola Anderson. Ihre Mutter ist vor wenigen Wochen verstorben. „Ich habe mit ihr über den Umzug gesprochen. Man wusste ja nie, wie lange es noch gut geht.“ Anderson ist sich sicher, dass der drohende Umzug die Mutter belastete.

Zusammen mit anderen Angehörigen hatte Anderson kurz nach der Eröffnung der Villa Domizil einen Angehörigenverein gegründet. Damit hofften sie, vom Landesamt für Soziales und Versorgung als „selbsverantwortlich geführte Wohnform“ eingestuft zu werden. Dann wären ihnen weder Bauaufsicht noch Heimgesetz in die Quere gekommen. Es habe aber nur zu einer „Wohnform mit eingeschränkter Selbstverantwortung“ gereicht, wie es im Behördendeutsch heißt. Der Grund ist nicht ganz klar. Jedenfalls bedeutet es massive Auflagen.

Für Domizil-Betreiberin Begemann ist es, „als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Der Forderungskatalog war tatsächlich lang: Die Auffahrt musste verbreitert, Brandschutzwände eingezogen, ein Flucht- und Rettungsplan erstellt, ein zweiter Fluchtweg mit Außentreppe gebaut, das Dachgeschoss geräumt werden. „Wir haben uns bemüht, den Auflagen nachzukommen. Uns wurde sonst mit Räumung gedroht“, erzählt Anderson vom Angehörigenverein. Ihr Resümee ist ernüchternd. „Das hier ist nicht gewollt.“

Dabei wurde die idyllisch gelegene Villa Domizil politisch unterstützt: CDU-Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig setzte sich unter anderem dafür ein, dass Begemann und Anderson mit dem Landrat sprechen konnten. Zudem hat sie sich für einen Kompromiss bei der Brandschutzanlage starkgemacht – umsonst.

Statt einer direkten Weiterleitung des Alarms an die Feuerwehr in Werder (Havel) musste ein Wachdienst zwischengeschalten werden. „ So wollte man verhindern, dass die älteren Herrschaften wegen eines vergessenes Topfes auf dem Herd einen Einsatz zahlen müssen“, sagt Begemann. Doch der Wachdienst koste Geld, die Kosten musste Begemann auf die Miete umlegen. Am Ende musste sie 900 bis 1200 Euro pro Monat berechnen. Die Meldeanlage habe das Fass letzlich zum Überlaufen gebracht. „Die Villa ist finanziell nicht mehr tragbar.“

Dass die Rauchmelder, die sie zuvor hatte, nicht reichten, kann sie nicht verstehen. „Für ursprünglich zwölf Bewohner sind zwei Pflegerinnen durchgehend vor Ort.“ Begemann konnte ihre Argumente sogar bei einer Anhörung zur Änderung des Brandenburgischen Pflege- und Betreuungswohngesetz im Landtag vortragen. Den Abgeordneten hatte sie erklärt: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Aber wer zu früh kommt, den bestrafen Bürokratie, praxisferne Gesetze und deren Auslegung in ihrer ganzen Härte.“

Saskia Ludwig bedauert das Ende des Wohnprojekts: „Aus meiner Sicht hat die Baubehörde ihren Ermessensspielraum nur wenig ausgeschöpft.“ Dass es den gibt, bestätigt der Referent für Heimrecht im Sozialministerium, Markus Mühe: Beim Brandschutz habe die Untere Bauaufsicht bei Wohnformen wie der Villa Domizil einen gewissen Spielraum. Von den Problemen mit Auflagen wissen Bau- und Sozialministerium seit einigen Jahren: Viele kleine Wohnformen für Senioren hätten gerade mit dem zweiten Fluchtweg Probleme. „Das ist oft zu teuer oder es fehlt der Platz.“ Dabei werden Mini-Pflegeheime und Senioren-WGs in Brandenburg laut Mühe immer beliebter: „Wir gehen davon aus, dass es im Land mindestens 250 Wohngemeinschaften ähnlich der Villa Domizil gibt. Und in unserer Statistik erfassen wir nicht die ganzen selbstverantwortlich geführten Wohnformen.“

Damit solche Projekte nicht im Keim erstickt werden, werde derzeit eine Änderung der brandenburgische Bauordnung vorbereitet. Sie könnte noch in diesem Jahr greifen. „Es geht darum, die Maßgaben beim Brandschutz zu lockern.“ Für die Villa Domizil kommt das zu spät.

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