KulTOUR: Endlich mal eine richtige Komödie Zwei neue Stücke in Werders Comédie Soleil
Werder (Havel) - Nach einem administrativen Tief geht es mit der Comédie Soleil in Werder wieder aufwärts. Die Bühne hat jetzt den Namenszusatz „Kulturhaus Werder“.
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Werder (Havel) - Nach einem administrativen Tief geht es mit der Comédie Soleil in Werder wieder aufwärts. Die Bühne hat jetzt den Namenszusatz „Kulturhaus Werder“. Das klingt verheißungsvoll.
Die erste Produktion nach der Wiedergeburt und Ehrenrettung durch die Stadt kann sich schon mal sehen lassen. Vielleicht hat die Entscheidung, zwei Einakter eines heute fast vergessenen Russen auf die Bühne zu bringen, gar etwas Programmatisches: Als Hinwendung zur Komödie ihres Namens zum Beispiel, weniger Kopflastigkeit, schlankere Inszenierungsformen, überhaupt mehr Ökonomie im Theater.
In jedem Fall haben die Stücke „Der Bär“ und „Der Heiratsantrag“ des Arztes und Schriftstellers Anton Tschechow (1860-1904) wieder ein bisschen Leben in die Bude gebracht, Lust aufs Spiel, Freude am Komischen, Schwung und Liebe zur Sache. Um Liebe geht es ja auch in beiden Stücken, die um 1900 entstanden und von Regisseur Julian Tyrasa inszeniert wurden.
Beim „Bär“ findet man eine gutbetuchte Witwe (Karoline Hugler) in tiefster Trauer. Sie schwor ihrem untreuen Gatten eheliche Treue über sein Ende hinaus. Kein Mann darf sich ihr nähern, auch weist sie alle Ratschläge des Dieners Luka (Frank Dukowski) zurück. Nun poltert der Gutsbesitzer Smirnow herein, um Schulden einzutreiben, doch die gepuderte Dame ist gerade mal nicht liquide. Der Grobian und Waldschrat beschließt, ohne sein Geld nicht zu gehen – und so nimmt die neue Liebe ihren seltsamen Lauf, wie das so ist mit der Liebe.
Im „Heiratsantrag“ hält der Gutsbesitzer Lomow (Frank Dukowski in sehr alertem Spiel) um Nataljas Hand vom Nachbargut an, worüber ihr etwas tatteriger Papa (Romeo Riemer) heilfroh ist. Aber der Bräutigam hatte nicht bedacht, wen er sich da erwählte: Noch bevor er seinen Antrag vortragen kann, entbrennt ein heftiger Streit um die Frage, wem denn die Ochsenwiesen gehörten. Das etwas späte Fräulein erweist sich als Zimtzicke vom Feinsten, die beantragte Harmonie ist erst einmal futsch. Wie alles dennoch ein erträgliches Ende findet, zeigt derselbe Regisseur, indem er den Schwank zu einer erfrischenden Farce hinführt. Das Publikum dankt so etwas immer.
Natürlich ist Tschechow sauschwer, das weiß jeder Theatermensch, schließlich hat er tiefgründige Charaktere geformt, vielschichtige Figuren. Einiges davon bringt das spielfreudige Team auf die (von Jens-Uwe Behrend so effektiv wie sparsam eingerichtete) Bühne, im „Bär“ mehr, im „Heiratsantrag“ weniger. Nicht geringen Anteil daran hat Frank Dukowski in seiner Art. Die Frauenrollen könnten Vertiefung durchaus noch vertragen, zumal es hier ja immer wieder um den Kampf zwischen Ja und Nein geht, da wären viele Drehpunkte zu erspielen.
Wie polterte Popow doch so schön: „Lieber auf einem Pulverfass sitzen als mit einer Frau reden!“ Für das Emanzipatorische ist das natürlich nichts, für andere schon, damals war es noch was Besonderes, wenn sich eine Frau mit dem Ruf „An die Barriere!“ mit einem Mann (mit Pistolen) duelliert. Doch ach, auch Frauenschwüre halten ja bekanntlich nicht ewig.
Der Saisonauftakt ist gelungen: Endlich mal eine richtige Komödie, endlich mal wieder ein Russe! Wie viele hätten es noch verdient! Zu sehen ist die temporeiche Doppelinszenierung noch am 9., 10., 16. und 17. Mai jeweils um 19.30 Uhr sowie am 11. und 18. Mai jeweils um 17 Uhr. Gerold Paul
Gerold Paul
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