Von Tobias Reichelt: Endlich wieder Arbeit
Sigrid Kuhlmey war 15 Jahre arbeitslos, jetzt hat die 54-jährige Ruhlsdorferin eine neue Stelle bekommen
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Teltow - Mit einer schnellen Handbewegung greift Sigrid Kuhlmey zu. Doch keine Chance: Quickend und quietschend versucht das kleine Schwein mit der Nummer 18 auf seinem Ohrschild, zu entkommen. Schon wenige Augenblicke später hat das Ferkel aufgegeben und lässt sich mit hängenden Ohren in den Armen der 54-jährigen Ruhlsdorferin streicheln. Schwein und Sigrid Kuhlmey blicken sich zufrieden an.
„Ich bin froh, wieder mit Tieren arbeiten zu können“, sagt Kuhlmey. Seit zwei Wochen hat die gelernte Zootechnikerin wieder einen Job. Fast 15 Jahre war sie vorher arbeitslos. In ihrem Alter überhaupt noch eine feste Stelle zu finden, schien aussichtslos. „Ich hatte Ein-Euro-Jobs und ABM-Maßnahmen“, sagt Kuhlmey – sie hat in Kindergärten aufgeräumt oder Wanderwege freigeschnitten. Jetzt ist sie wieder richtig angestellt und fährt jeden Morgen mit dem Rad zur Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung im Teltower Ortsteil Ruhlsdorf. Ihr Chef, Detlef May, hat die über 50-Jährige eingestellt – auch weil ihm die Maia das mit einem Bonus von 3000 Euro versüßt hat.
„Stärken 50plus“ heißt das Programm mit dem die Mittelmärkische Arbeitsgemeinschaft zur Integration in Arbeit (Maia) noch bis Ende 2010 gezielt ältere Arbeitslose über 50 Jahre in Lohn und Brot bringen will. Keine leichte Aufgabe, immerhin stellen die über 50-Jährigen mit 30 Prozent aller Alg-II-Empfänger eine der größten Gruppen in der Arbeitslosenstatistik des Landkreises, erklärte Maia-Chef Bernd Schade bei einem Pressegespräch. Um das zu ändern, wurden der Maia 365 000 Euro vom Staat zusätzlich zur Verfügung gestellt.
Sechs Mitarbeiter kümmern sich seitdem um knapp 560 ältere Langzeitarbeitslose im Kreis. 145 davon sind in „Intensivbetreuung“. Das Prinzip des Programms ist simpel: Jeder Teilnehmer erhält einen Scheck, mit dem er bei seiner Bewerbung punkten soll – 3000 Euro für den Arbeitgeber und 1000 Euro für den Arbeitnehmer springen bei Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses heraus. Das muss mindestens ein halbes Jahr halten. 25 Schecks sind schon erfolgreich verteilt – es gibt noch reichlich Kapazitäten, so Schade. Zudem kümmere sich das Arbeitsamt um die notwendigen Fortbildungen. So könnte auch für Sigrid Kuhlmey ein Lkw-Führerschein drin sein, da sie den für ihre Tätigkeit in der Schweine-Versuchsanstalt braucht.
„Eigentlich wollten wir jemand Jüngeres einstellen“, gibt Kuhlmeys Chef May offen zu. Schließlich sei die Arbeit in dem Schweinestall nicht leicht. Hier sind fast 800 Tiere untergebracht. Unter immer gleichen Bedingungen werden an ihnen neue Futtermittel oder Medikamente getestet. Auch eine Schlachterei gibt es, in der die Qualität des Schweinefleisches überprüft wird. Die Anstalt besteht in Ruhlsdorf schon seit 1918, sagt May.
Seitdem habe sich viel geändert. Die Anforderungen an die Arbeiter seien mit dem Stand der Technik gestiegen. „Nur das Schwein ist noch Schwein“, sagt May. Eigentlich ein Grund, jüngere, technikaffine Menschen einzustellen. Aber der Förderscheck und die Arbeitseinstellung der 54-jährigen Kuhlmey hätten ihn überzeugt. So sei die Ruhlsdorferin schon seit knapp einem Jahr mehrmals in der Woche hier gewesen, um kleinere Aufgaben zu übernehmen. Als dann eine Stelle frei wurde und Sigrid Kuhlmey gleichzeitig mit dem Scheck wedelte, fiel die Entscheidung zwischen Kuhlmey und zwei weiteren Bewerbern leicht.
Noch muss sich Sigrid Kuhlmey an alle neuen Arbeitsabläufe gewöhnen. Die Arbeit mache Spaß, sagt sie. Ein Bürojob wäre nie infrage gekommen. Am liebsten will sie jetzt bis zur Rente mit ihren Schweinen zusammen sein.
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