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Potsdam-Mittelmark: Eng, knapp, schwierig

Weniger Förderung, kein Probenraum – das Wandertheater Ton und Kirschen steht vor schwerer Saison

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Weniger Förderung, kein Probenraum – das Wandertheater Ton und Kirschen steht vor schwerer Saison Von Elisabeth Richter Werder · Glindow - Nichts bleibt, wie es ist. Das Wandertheater Ton und Kirschen hat seine Probebühne im Kunsthof Glindow verloren. Grund: Der Kunsthof musste aus finanziellen Gründen den großen Festsaal wochentags anderweitig vermieten (PNN berichteten). Zwar hatte auch die Theatertruppe Miete gezahlt, aber die Summe war letztendlich nicht ausreichend. Jetzt steht das Theater ohne Probesaal da. Margarete Biereye, zusammen mit David Johnston Begründerin des Wandertheaters und sozusagen Mutter des Ensembles, analysiert unaufgeregt die Lage – es ist alles eng, knapp, schwierig –, behält aber zugleich den unerschütterlichen Optimismus, ohne den das Theater wohl nicht existieren würde. Jetzt im Sommer kann man draußen proben, sagt sie und zeigt über das Grundstück am Glindower See, wo die Wohnwagen der Ensemblemitglieder stehen. Das Proben auf der Wiese ist nicht optimal, weil sie morgens noch lange feucht ist, aber es geht, solange Sommer ist. Und dann wird man sehen, sagt Margarete Biereye und meint: Dann wird es einen anderen Raum geben. Dass der Ortsbeirat Glindow und die Stadt Werder ihre Bereitschaft signalisiert haben, bei der Suche zu helfen und eventuell einen geeigneten Raum zur Verfügung zu stellen, hat sie sehr gefreut. Sie wertet es als Bekenntnis zu ihrem kleinen Theater, das seit 1992 in Glindow besteht, international bekannt ist und viele Preise gewonnen hat. Es wird „irgendwie“ weitergehen, davon ist sie überzeugt, auch wenn zusätzlich dieses Jahr die Lage finanziell so eng ist wie noch nie zuvor. Das Theater erhält Fördermittel des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur und Mittel des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Bisher hatte sich auch die Stadt Potsdam an der Finanzierung beteiligt, sich aber nun daraus zurückgezogen. Das versteht Margarete Biereye nicht. „Wir treten in Potsdam auf“, sagt sie fassungslos, „wir spielen kostenlos auf der Freundschaftsinsel. Das tun wir für Potsdam, und Potsdam lässt uns fallen!“. Das Geld, das die Truppe durch Aufführungen einspielt, reicht nicht – aber das ist überall so, nirgendwo in Deutschland finanziert Theater sich selbst. „Kunst muss gefördert werden“, verlangt deshalb David Johnston. „Wenn man uns und unsere Kunst will, muss man uns unterstützen, weil wir sonst nicht existieren können.“ Die Finanzlage ist in der Tat so knapp, dass einen Monat lang die Honorarzahlungen für die Schauspieler ausgesetzt werden müssen. Und das, obwohl das Ensemble sich verkleinert hat. Mehrere Schauspieler haben das Wandertheater verlassen, auch der Musiker Boris Sichon, der etliche ungewöhnliche Konzerte auf seinen Blas- und Schlaginstrumenten im Kunsthof gegeben hat. Er ist mit seiner Familie nach Kanada ausgewandert. Neu hinzu gekommen sind drei junge Schauspieler: Anna Kistel, François Perrin und Thomas Weppel. Nichts bleibt, wie es ist – buddhistische Weisheit für den Alltag, auch für den eines Wandertheaters. Bald wird die diesjährige Produktion in Glindow aufgeführt; sie heißt „Middle of the Moment“, ist aber in deutscher Sprache. Der Titel – „Mitte des Moments“ – verbindet zwei sehr unterschiedliche Geschichten miteinander: „Die Haxe“ und „Elizaveta Bam“, das eine eine Komödie nach einer Erzählung des senegalesischen Dichters Birago Diop, in der das Thema „Geiz“ bis ins Aberwitzige hochgeschraubt wird; das andere eine absurde Geschichte des Russen Daniil Charms, die auf stalinistische Verfolgung und Willkür anspielt. Beide Geschichten, die Ton und Kirschen unter der Regie von Margarete Biereye in Szene gesetzt haben, jonglieren mit tragischen und komischen Anteilen, die – in bester Tradition dieses Theaters – genüsslich ausgespielt und auf die Spitze getrieben werden. Aufführungstermine: Glindow, Dampferanlegestelle: 2., 3., 4. Juli, 21 Uhr. Potsdam, Pfingstberg: 16. und 17. Juli, 21 Uhr. Werder, Neue Uferpromenade auf der Insel: 30. und 31. Juli, 20 Uhr; 1. August, 16 Uhr.

Elisabeth Richter

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