Von Kirsten Graulich: Entdeckungen in der Altstadt
Die 40. Teltower Altstadtführung offenbarte, was die verschlafene Ackerbürgerstadt zu bieten hat
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Teltow - Aus der Toreinfahrt von Bäckermeister Neuendorff lugt ein Katzenkopf und reckt verwundert den Hals angesichts der vielen Besucher, die über das Altstadtpflaster pilgern. So viel Besuch in Teltows historischen Mauern wie zur 40. Altstadtführung am Samstag ist selten. Rund 50 Teilnehmer waren der Einladung des Heimatvereins und der Lokalen Agenda gefolgt, um das vielgepriesene Kleinod zu erleben. Bürgermeister Thomas Schmidt ließ es sich diesmal nicht nehmen, die Besucher persönlich zu begrüßen, die vor der Visite rings um den Kirchturm noch einige Zahlen mit auf den Weg bekamen.
So wurde Teltow erstmals 1265 urkundlich von Markgraf Otto III erwähnt. „Aber gegründet wurde der Ort sicherlich schon hundert Jahre früher“, ist Heimatvereinsvorsitzender Peter Jaeckel überzeugt. Dass die Gegend bereits in der Bronzezeit besiedelt war, belegen Tonscherben aus dem 3. Jahrhundert vor Christi, die bei der Rekonstruktion des Pfarrhauses in der Ritterstraße 11 gefunden wurden. Auch ein bronzener Haarkamm, Tonpfeifenköpfe und Glasmarken wurden 2001 bei den Suchschachtungen entdeckt. Diese Schätze sowie die freigelegten Grundmauern konnten die Besucher in einem kleinen „Kellermuseum“ im Pfarrhaus besichtigen. Der Bau selbst stammt aus dem 15./16.Jahrhundert. In einer Nische wurde ein zugemauerter Backofen reaktiviert.
Zugemauerte Ofenklappen fand auch der Architekt Jörg Langner, als er das Haus in der Breiten Straße 13 sanierte. Dieser Ofen soll einst von Bäckermeister Carl Ferdinand Reibe errichtet worden sein. Als der große Ofen Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Zimmer umgebaut wurde, hieß es in Teltow: „Oma wohnt im Ofen.“ Architekt Langner hat die ehemalige Backstube zur Terrasse ausgebaut und lud die Besucher der Altstadtführung ein, seinen Hof zu besichtigen, in dem gerade ein Tulpenbaum blüht. Als Langner das Haus vor Jahren erstmals in Augenschein genommen hatte, gab es bereits eine Abrissgenehmigung. Doch der Architekt wagte das schier Unmögliche, um das Haus zu erhalten, das noch teilweise mit typischen Teltower Lehmziegeln erbaut ist. Nach dem Stadtbrand von 1801 waren Ziegel knapp, weshalb Lehm- und Ziegelsteine gleichzeitig verwendet wurden, je nachdem, was gerade zur Hand war.
Weitere Stationen des Rundganges waren neben Zickenplatz, Rathaus und Heimatmuseum die Sankt Andreaskirche, die noch saniert wird, nachdem ein Schwelbrand im November 2009 das Innere des Gotteshauses mit Ruß überzogen hatte. Dem Unglücksfall kann Frank-Jürgen Seider, Chronist des Kirchenbaues, auch Positives abgewinnen: „Die Erneuerungsarbeiten wurden so um zehn Jahre vorgezogen und es wird mehr saniert als ursprünglich geplant, beispielsweise die Malereien am Triumphbogen.“ Die Landeskirche beteiligt sich neben Kirchenkreis und der Versicherung an den Kosten. Im August öffnet das Gotteshaus wieder seine Türen zum Tag der offenen Altstadthöfe.
Jährlich lockt dieser Tag viele Besucher, vor allem aus Berlin, in die Ackerbürgerstadt, die auf die meisten Besucher am Samstag aber eher „etwas verschlafen“ wirkte. Auch die drei Händler auf dem Rathausmarkt würden sich über mehr Kunden freuen. „Wenn ihr alle etwas kauft“, meinte eine Gemüsehändlerin, „haben wir hier nicht umsonst gestanden.“ Doch nach dem Rundgang war der Marktplatz so leer wie die Regale beim Bäcker, nur die Katze neben dem Tor döste noch in der Sonne.
Kirsten Graulich
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