
© Andreas Klaer
Von Tobias Reichelt: Experiment auf dem Trockenen
Teltow und Stahnsdorf wollen ihre Rieselfelder reaktivieren, doch das Land sieht dafür kaum Chancen
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Region Teltow - Wie die leuchtend gelben Sumpfdotterblumen aussehen, weiß Karin Steingräber noch genau. Nur gesehen hat sie die Pflanzen, die den feuchten Boden mögen, in ihrer Heimat schon lange nicht mehr. „Die wuchsen früher auf den Rieselfeldern“, erklärt die Ortsvorsteherin des Stahnsdorfer Ortsteils Schenkenhorst. Seit knapp 20 Jahren sind die Felder aber stillgelegt, das Abwasser blieb aus, die Böden vertrockneten, die Blumen verschwanden. „Wir könnten hier höchstens noch Steppengras anbauen“, witzelt Steingräber.
Wie viele Politiker der Region kämpft sie dafür, die Rieselfelder zu reaktivieren. Gereinigtes Abwasser könnte verrieselt werden, um den gefallenen Grundwasserpegel zu heben – doch die Chancen für das Forschungsprojekt unter der Leitung des Wasserwissenschaftlers Gunnar Lischeid stehen schlecht. Im Brandenburgischen Umweltministerium sind die Bedenken gegenüber dem Vorhaben jedoch groß.
„Unser Anspruch ist der verantwortungsvolle Umgang mit den Grundwasserressourcen“, sagte Oliver Merten, Mitarbeiter im Referat Wasser und Bodenschutz gegenüber den PNN. „Wir müssen bei solchen Projekten gleich zweimal sorgfältig hinschauen.“ Gereinigtes Abwasser sei kein sauberes Trinkwasser. Sowohl im geklärten Abwasser, das hier auf die Felder aufgetragen werden soll, als auch im Boden der Rieselfelder stecke ein „unüberschaubarer Pool von Verunreinigungen“. Im schlimmsten Fall könnten die Schadstoffe durch die Verrieselung in das Grundwasser gelangen und von hier zurück in die Haushalte. „Wenn wir in der Region einen Grundwasserschaden provozieren, ist der kaum zu reparieren“, warnte Merten. Gerade weil die Stahnsdorfer und Teltower Rieselfelder im Süden beider Kommunen sehr nah an bewohnten Gebieten lägen, seien die Gefahren unüberschaubar.
„Wir sehen mit Sorge, dass hier mit einer Idee geworben wird, die dem Wasserhaushalt der Region zugute kommen soll“, sagte Merten. Im Ministerium gebe es „fachliche Vorbehalte“, die zunächst aus dem Weg geräumt werden müssten. In den kommenden Wochen will das Land in einem Leitlinienkatalog grundsätzlich Stellung beziehen, unter welchen Bedingungen stillgelegte Rieselfelder wiedervernässt werden könnten – „ob sich das für Stahnsdorf dann schon erledigt hat, kann ich noch nicht sagen“.
Gunnar Lischeid möchte das Rieselfeld-Projekt bei Stahnsdorf und Teltow trotzdem nicht beerdigen. „Das ist ein langwieriger Prozess“, sagte Lischeid den PNN. In Hobrechtsfelde im Barnim wurde dem Leiter des Instituts für Landschaftswasserhaushalt am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung ein ähnliches Projekt bereits genehmigt. Zwei Jahre habe er darauf warten müssen. Während in Hobrechtsfelde heute täglich rund 5000 Kubikmeter gereinigtes Abwasser in Teiche und auf Felder fließen, soll in Stahnsdorf deutlich kleiner gestartet werden. Nur eine Rieselfeld-Tafel, etwa 2500 Quadratmeter, würde hier vernässt. „Wie gefährlich das ist, weiß keiner“, erklärt Lischeid, „wenn ich mir ernsthaft Sorgen machen würde, würde ich das aber nicht vorantreiben.“
Schenkenhorsts Orstvorsteherin Steingräber kann die Bedenken des Umweltministeriums nicht verstehen. Ihr Ort ist von stillgelegten Rieselfeldern umschlossen, kaum etwas darf hier angebaut werden. Der Grundwasserpegel ist seit dem Ende der Verrieselung um zwölf Meter gesunken. „Fast Hundert Jahre lang wurde bei uns ungereinigtes Abwasser verrieselt.“ Wenn die Böden nun tatsächlich gefährlich belastet seien und das eine weitere Nutzung ausschließe, dann müsse die Stadt Berlin – aus der das Abwasser einst kam – die Erde austauschen. „Dann könnten hier Pflanzen zur Energiegewinnung wachsen und vielleicht auch wieder ein paar Sumpfdotterblumen.“
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