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KulTOUR: Fantasy aus Werder

Die Autorin Ingeborg Lauwaßer ist den Zwieseln auf die Schliche gekommen

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Werder (Havel) - Zwiesel leben, wie jeder weiß, stets in kleinen Dörfern an den Grenzen zum Wunderbaren, tief verborgen vor der Welt. Ihre Existenz blieb lange Zeit fast unbekannt, bis die Werderaner Autorin Ingeborg Lauwaßer („Zum Vater Felch“) ihnen gerade am Tor zur Fantasie auf die Schliche kam. Zusammen mit dem großartigen Zeichner und Illustrator Tino Würfel kann sie nun eine künstlerisch geformte Darstellung über „Die Abenteuer der Zwiesel“ vorlegen. Und derer sind es vielleicht fast so viele, wie es Zwiesel gibt.

Fast vierzig dieser putzigen Pelztierchen hat die Autorin mit Namen genannt, Mitläufer meist, also ohne tragende Rolle im Handlungsablauf. Protagonisten im Mehrfachabenteuerbuch sind die Magierin Hadida im Eichbaumhaus und ihr Initiand Ifion, dazu bestimmt, eines Tages das Schicksal dieses Dorfvolkes zu lenken. Dafür könnte er allerdings schon heute etwas mehr Profil vertragen. Trotzdem wird bald klar, es handelt sich bei diesen Wesen um demokratisch gesinnte, langgeschweifte Zweibeiner, die gern auf Reisen gehen und am liebsten Buchweizenpfannkuchen mit Blaubeeren futtern.

Anders als im Menschenreich bringt bei ihnen der tausendfüßige Pedalius die Kinder, er stellt sie im Körbchen einfach vor die Tür! Die Post ist so schnell wie bei uns, nur dass die diensthabende Schnecke ein richtiges Haus auf dem Buckel trägt, mit Schornstein und Ziegeln. Man hört und liest von einem fernen Walnusstal, wo verbannte Zwiesel leben, von goldenen Regenbogenschüsselchen, von schwebenden Häusern und fliegenden Hunden – der Luftfahrt-Alternative im Tal. Sogar den versnobten Hasen McRabbit aus Schottland bekommt man zu Gesicht, eine der schönsten Figuren im Buch. Es dauert allerdings, bis man sich in dem fremd klingenden Namens-Gewusel zurechtgefunden hat.

Ingeborg Lauwaßer erzählt in einer lose verknüpften Handlung unter anderem, wie das hungernde Zwieselvolk trotz einer üblen Intrige letztlich doch noch Regenbogenschüsselchen gegen Korn und Nüsse eintauschen kann, oder wie es gelingt, die Feenkönigin Serafina aus der Gewalt des blinden Unterweltkönigs Toron zu befreien. Hinterher sagt man dann immer: „Wir werden nie wieder sorglos ein solches Unglück zulassen.“ Nachdem der Vogel Kreideweiß die alte Hadida abgerufen und der Bibliothekar Alarich alles ganz korrekt für das Buch der Unendlichkeit aufgeschrieben hat, erreicht den Magier Ifion eine neue Bestimmung...

Die Autorin erzählt ihre Geschichten mit klarem Gut-und-Böse mal nacheinander, dann wieder in Form einer verschachtelten Handlung, wie man sie bei Hauff antrifft. Zehn Jahre aufwärts sollten Leser schon sein, um hier mithalten zu können. Es geht um die Aufhebung eines Fluchs, ums Eingedenken in einer ungewissen Zukunft, um Naturmagie und Spiritualität, um den Widerstand gegen das Böse, nicht zuletzt um das Werk eines umtriebigen Geistes, der gute und arge Träume einfängt und nach Belieben weiterverteilt. Deshalb wird in diesem schönen Buch kapitelweise geträumt, bis man nicht mehr weiß, was echt ist. Aber sollte, wo Phantasia lebt, nicht immer etwas offenbleiben?

Manchmal ist Lauwaßers Fantasy-Erstling allerdings viel zu gedankenbeschwert und zu naturkundebelastet, es gibt Schwächen in der Sujetführung. Ihre Sprache jedoch bleibt, sozusagen in allen Lebenslagen, poetisch und frisch – dank der Zwiesel an den Grenzen zum Wunderbaren natürlich, was denn sonst. Gerold Paul

Ingeborg Lauwaßer: „Die Abenteuer der Zwiesel“ mit Illustrationen von Tino Würfel; 190 Seiten, 18 Euro, zu beziehen über havel-kuenstler.de und in der Werderschen Buchhandlung Am Strengfeld

Gerold Paul

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