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Aus dem Weg. Für Werderaner ist es durch die Menschenmassen zum Fest schwer, ihre Wohnung auf der Insel zu erreichen.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: Feiern ohne Freiheit

Inselbewohner beklagt Sperrung der Altstadt zum Blütenfest und wendet sich an Generalstaatsanwalt

Stand:

Werder (Havel) - Menschen einzusperren ist Freiheitsberaubung. Selbst wenn der Betroffene einen Ausweg kennt, der aber beschwerlich oder unzumutbar erscheint, geht die Rechtsprechung davon aus, dass es sich um den Straftatbestand der Freiheitsberaubung handelt. Der Werderaner Rechtsanwalt Hans Hinrich Schroeder-Hohenwarth fühlt sich durch das Baumblütenfest seiner Freiheit beraubt – und hat sich deshalb an die Staatsanwaltschaft Potsdam gewandt.

An allen neun Festtagen sei die Zufahrt für Anlieger auf die Insel und das Verlassen der Insel nur morgens vor 10 Uhr möglich, im Einzelfall habe die Stadtverwaltung allerdings eine großzügigere Handhabung zugesagt, heißt es in seiner Strafanzeige. Eine abendliche Zu- oder Abfahrt sei nicht geregelt. Zwar sei die Festzeit auf 22 Uhr begrenzt, darauf sei aber kein Verlass, weil das Konzertpublikum häufig erst später die Straßen freimacht und das Höhenfeuerwerk am letzten Festtag viel später endet.

Kein Inselbewohner könne wirklich sicher sein, jeden Tag mit seinem Auto die Insel wenigstens um 22 Uhr wieder erreichen zu können, so Schroeder-Hohenwarth in seiner den PNN vorliegenden Anzeige. „Dieser Zustand beraubt die Inselbewohner ohne Rechtsgrundlage ihrer Bewegungs- und Verhaltensfreiheit.“ Insbesondere ältere Mitbürger und Schwerbehinderte seien den Beschränkungen meist völlig hilflos ausgeliefert.

Zwar sollen für Schwerbehinderte hinter der Havelauenhalle Parkplätze bestehen. Die entsprechende Verwaltungsanordnung sei aber nicht publiziert worden, kaum ein Inselbewohner wisse davon. Selbst wenn, werde der Parkplatz vorrangig von der Polizei genutzt, Behinderte könnten von dort kaum zu Fuß in ihre Wohnung auf der Inselstadt kommen, weil der Weg zu weit und die Menschenansammlungen bei schwerer Gehbehinderung gefährlich seien. Für Schroeder-Hohenwarth ist das – Freiheitsberaubung.

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft hat ihm zwar schon geantwortet, dass sie das anders sieht. Schroeder-Hohenwarth hat sich aber beim Generalstaatsanwalt darüber beschwert. Denn die Antwort der Staatsanwaltschaft habe nur zehn Tage gedauert und andere Tatbestände wie Nötigung oder verschiedene Amtsdelikte seien gar nicht geprüft worden. So seien im Amtsblatt und in Schreiben an die Anwohner andere Sperrzeiten kommuniziert worden, als sie in einer Verwaltungsanordnung für das vorige Blütenfest festgelegt wurden. Eine Rechtsbehelfsbelehrung habe es auch nicht gegeben. Die Verwaltungsanordnung sei erst durch seine Intervention bekannt geworden. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft bestätigte, dass die Beschwerde derzeit geprüft werde.

Werders Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) sieht die Strafanzeige gelassen. „Ich teile die Auffassung der Potsdamer Staatsanwaltschaft, dass es sich bei den Straßensperrungen für das Blütenfest nicht um Freiheitsberaubung handelt.“ Alles sei juristisch korrekt abgelaufen. Details zur Rechtsauffassung der Stadt erläuterte sie trotz mehrfacher Nachfragen der PNN allerdings nicht.

Für jeden Bürger bestehe die Möglichkeit, jede Amtshandlung der Stadt Werder gerichtlich prüfen zu lassen, so Saß. „Wenn die Stadt wegen des Blütenfestes oder der Sperrungen verklagt werden würde, wäre das allerdings das erste Mal.“

Beim vorigen Blütenfest habe sie nach dem Eröffnungsball immerhin eine Verteidigungsschrift unterzeichnen müssen, „weil jemand damit drohte, das Fest per Eilantrag platzen zu lassen“. Ein Schutzbrief verhindert, dass bei einem befürchteten vorläufigen Rechtsschutzverfahren ein Nachteil für den Beklagten entsteht. „Ich sehe sämtlichen Klagen oder Eilanträgen gegen das Blütenfest gelassen entgegen“, unterstrich Saß. Henry Klix

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