Potsdam-Mittelmark: Feuersturm wie ein Schnellzug
Zeitzeugen erinnern sich an den verheerenden Waldbrand bei Ferch vor 30 Jahren / 3000 Menschen im Kampf gegen die Flammen
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Schwielowsee · Ferch - „Hier waren wir im Einsatz. Kinder, war das eine Hitze mit einem mächtigen Sturm. Es donnerte, als würde ein unendlicher Schnellzug vorbei preschen. Das war der schlimmste Waldbrand, den ich je erlebt habe.“ So schildert Siegfried Kranig, langjähriger Stadtwehrführer in Werder seine Erinnerungen vom Katastrophenbrand im Raum Ferch / Seddin am 10. Mai 1976. Um an diesen Großeinsatz vor 30 Jahren zu erinnern, hat der stellvertretende Fercher Ortswehrführer Ralf Ellguth gemeinsam mit Revierförster Georg Schmitt in die Oberförsterei Ferch eingeladen. Ellguth selbst war damals erst zwei Jahre alt und weiß von dem Brand, der tagelang Hunderte Einsatzkräfte in Atem hielt, nur aus Erzählungen. In der Oberförsterei Ferch haben sich zum Gedenktreffen Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren aus Beelitz, Werder, Caputh, Michendorf, Geltow und Neuseddin versammelt. Auch der Bürgermeister von Seddiner See, Axel Zinke, ist dabei, und schnell werden die Erinnerungen wieder wach.
Mehr als 360 Hektar Wald gingen an diesem 10. Mai 1976 in Flammen auf. Nach 26 Tagen völliger Trockenheit und hohen Lufttemperaturen war der Waldboden knacktrocken. Der Feuersturm, unterstützt von böigen Winden aus östlichen Richtungen, trieb die Brandfront mit 6 km/h voran. In der Minute standen neue 4,7 Hektar in Flammen. Stellenweise flogen brennende Teile 160 Meter voraus und entfachten neue Herde. So übersprang das Feuer auch die Autobahn am heutigen Dreieck Potsdam. Die ersten Häuser von Ferch waren gefährdet. Die Flammen schossen auch bis zu 70 Meter über die Wipfel der etwa 50-jährigen Kiefern.
Die Teilnehmer der Wanderung zur ehemaligen rund 4750 mal 1500 Meter großen Brandfläche sind beeindruckt von den Schilderungen des Revierförsters Schmitt. Der Forstoberinspektor hat auch eine private Geschichte parat: „Nach meinem NVA-Dienst und ein paar Tagen Urlaub war es damals mein erster Arbeitstag in der Forst. Ich saß gerade beim damaligen Oberförster Antonius Kubaty im Forsthaus Kemnitzer Heide, als der Kollege vom Feuerwachturm Wietkikenberg bei Ferch um 10.50 Uhr ,Feuer mit starker Rauchentwicklung“ meldete. Die Funken einer Dampflokomotive hatten bereits vier Hektar Wald in Brand gesetzt, als die ersten Feuerwehren eintrafen. Um 12 Uhr brannten bereits 120 und um 15 Uhr 360 Hektar“, liest Schmitt aus dem Protokoll. Rund 3000 Einsatzkräfte von 28 Feuerwehren, von der NVA und der Sowjetarmee kämpften mit neun Planierraupen, drei Bergepanzern und fünf Traktoren gegen die Flammen. „Am wirkungsvollsten erwies sich der Einsatz von 20 Wassertransportflugzeugen“, erzählt Schmitt.
Auch Hildegard Voigt aus Ferch, 17 Jahre Ortswehrführerin, ist der Tag unvergesslich geblieben. „Früh um acht begann mein Prüfungstag für die Befähigung als Wehrleiter im Sägewerk Lienewitz. Meine Aufgabe war, einen Rettungs- und Evakuierungsplan für einen möglichen Brand zu erarbeiten. Fertig wurde ich damit nicht, denn kurz nach elf musste ich zum Waldbrand hinaus und wurde dem Versorgungstrupp zugeteilt“, erzählt sie. „Es war keine leichte Arbeit, aber alle Gaststättenleiter fragten nicht erst nach der Bezahlung. Sie packten ein, was sie gerade am Lager war “ Abends erkannte sie sich selbst nicht mehr wieder. „Gerade hatte ich meinen langen Pferdeschwanz blondieren lassen. Nun war er vollkommen schwarz und zerfranst.“ Ein paar Tage später konnte sie ihr Diplom abholen. Am 1. November dieses Jahres wird sie ihr 40-jähriges Feuerwehrjubiläum in Ferch feiern.
Konrad Kyburg, dieser Tage vom aktiven Dienst in der Feuerwehr Ferch verabschiedet (PNN berichteten), denkt noch an die Zeit nach dem Brandtag. „Um 17 Uhr war der Brand wohl weitgehend unter Kontrolle, aber noch zehn Tage, bis endlich Regen kam, schwelte und brannte der Boden weiter. Wir waren noch Tage mit der Schippe unterwegs, um Glut- und Feuerreste mit Sand zu ersticken.“
Heute nach 30 Jahren ist von dem Katastrophenbrand nichts mehr zu sehen. „Oberförster Toni Kubaty und Revierförster Werner Fischer haben nach dem Brand eine tolle Arbeit geleistet und sich selbst ein Denkmal gesetzt“, sagt Georg Schmitt. Zunächst mussten 70 000 Festmeter Brand- und 185 Festmeter Schadholz – entstanden durch den nachfolgenden Großen Blauen Prachtkäfer – aufgearbeitet und die Fläche für die Wiederaufforstung vorbereitet werden. Von überall her wurde Pflanzgut besorgt. Ein Teil der fünf Millionen neuen Kiefern kam sogar aus Sibirien. 100 000 Birken kamen in den Boden, 45 000 Lärchen und 90 000 Eichen. Soldaten, Schüler, Studenten, Lehrlinge, LPG-Mitglieder und viele andere beteiligten sich an der großen kollektiven Pflanzaktion.
In diesem Jahr wird wohl letztmalig ein Brandwächter auf dem Wietkikenberg seinen Dienst tun. Seine Aufgabe soll künftig eine Überwachungskamera übernehmen. Wolfgang Post
Wolfgang Post
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