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KulTOUR: Film-Spuren in Michendorf

Der erste UFA-Direktor hat am Wolkenberg gelebt, seine Villa steht noch

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Michendorf - Nach Heraklit ist der Krieg ein Vater aller Dinge. Man wird ihn zwar deshalb nicht loben, doch auf Schießpulver oder synthetischen Gummi mag die Welt seitdem so wenig verzichten wie auf das Medium Film. Gibt es da etwa einen Zusammenhang? Und ob! Wer jüngst im Katholischen Gemeindezentrum Michendorf den Vortrag von Wolfgang Weber (Jahrgang 1933) verfolgt hat, konnte auch den gemeinsamen Vater erkennen.

Eine „Filmspur“ führte sogar direkt an den Ort der Veranstaltung, auf das Gelände St. Norbert. Dank einer lobenswerten Dramaturgie verband der Referent ein unbekanntes Stück Ortsgeschichte mit der Vorbereitung auf eine längst geplante Exkursion des Heimatvereins zum Stahnsdorfer Südwestfriedhof, an das Grab des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau. Historische Fotos, teils noch von seinem Vater gemacht, illustrierten Webers Filmlektion eindrucksvoll. Von ihm erbte der Fernmelde-Ingenieur neben der Liebe zur Fotografie auch den alten, nach dem Krieg gegen ein Radio eingetauschten Schmalfilmprojektor plus Filmmaterial, sowie eine „Agfa-Box“.

Teile dieser Utensilien sollten an diesem zweistündigen wie auch zweigeteilten Abend noch eine Rolle spielen. Der erste Part handelte ausführlich von der Erschaffung der UFA, ein Produkt von General Ludendorff und der Deutschen Bank: Später als seine Gegner hatte der Generalissimus die Bedeutung des Films für Kriegspropaganda und Endsieg erkannt. Flugs schuf er das armeetreue „Bild- und Filmamt“ Bufa. Aus Profihand entstanden hier Streifen über die Kriegsschuld der anderen, indes man ausgerechnet Marsbewohnern die Unbesiegbarkeit der deutschen Front in den Mund legte.

Emil Georg Strauß, Direktor der Deutschen Bank, organisierte bald darauf aus dem Hintergrund die finanztechnische Seite einer viel massiveren Gründung, woran mächtige Firmen wie AEG, aber auch das Reich selbst beteiligt waren, denn man „witterte Profite“.

Der Startschuss der UFA am 18. Dezember 1917 – ein Produkt der Deutschen Bank mitten im Kriege! Hier kam nun jene Figur ins Spiel, um die es eigentlich ging: Major Alexander Grau, 1878 zu Preußisch-Eylau geboren, Flieger, dann Presse-Chef im Kriegsministerium. Strauß verschaffte dem ehemaligen Generalstäbler „eine führende Position im Aufsichtsrat“ der neuen „Universal-Film AG“, kurz, der Major a.D. wurde ihr erste Direktor. Im gleichen Jahr suchte er ein betriebsnahes Grundstück.

Er fand es auf dem Wolkenberg in Michendorf nahe der Alten Mühle. Hier baute er jene Villa, die heute noch steht. Für Weber ist damit auch ein Stück Familiengeschichte verbunden, seine Schwester erinnerte sich gern ihrer Spielgefährtin Alexandrine, der Tochter des Hausherrn. Als arbeitsam und umgänglich beschrieben, überstand Grau die durch US-Überfremdung ausgelöste UFA-Krise von 1927. Zehn Jahre noch saß er im Vorstand, sein Haus wurde um 1935 wieder verlassen. Kurz nach seinem 60. Geburtstag starb der hochgeehrte „Pionier des Kulturfilms“ im alten Wohnort Berlin. Seine Kinder schlugen das verschuldete Erbe aus, 1941 ersteigerte das Schöneberger Krankenhaus St. Norbert die Villa gleich nebenan für die katholische Kirche.

Und Murnau? Noch vor dem Krieg stellten Geschäftstüchtige etliche Kurzfassungen seines letzten Films „Tabu“ her. Eine vierminütige landete im Keller des Referenten, neben dem Oldie-Projektor! Die Vorführung dieses Kurzfilms beendete diese Zusammenkunft dramaturgisch perfekt.

Gerold Paul

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