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KulTOUR: „Findeort“ für einen alten Wilhelmshorster

Rundfunkpionier Edlef Köppen (1893-1939) zog sich während der Nazizeit in die Waldgemeinde zurück

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Michendorf - Genthin hat wenigstens einen Edlef-Köppen-Freundeskreis und eine gleichnamige Bibliothek. Und was hat Wilhelmshorst? „Nicht mal eine Straße ist nach ihm benannt“, verwunderte sich Wilhelm Zier, Lexikologe und ausgewiesener Kenner dieses weithin unbekannten Schriftstellers und Rundfunkpioniers, der ja immerhin lange Zeit in der Waldgemeinde lebte. Um wenigstens die Lautbarkeit des gebürtigen Genthiners ein wenig zu erhöhen, erarbeitete er gemeinsam mit dem Schauspieler Hans-Jochen Röhrig ein Hörbuch, welches beide kürzlich im Peter-Huchel-Haus vorstellten.

Es enthält Primär- und Sekundärzeugnisse zu Edlef Köppens Leben und Werk, Proben aus Gedichtsammlungen, aus seinem Hauptwerk „Heeresbericht“, aber auch Briefe und Würdigungen von Hermann Kasack, Peter Huchel und anderen. Wilhelm Zier lieferte das germanistisch korrekte Gesamtmanuskript, der Schauspieler las die Originale ein, die Stadt- und Kreisbibliothek in Genthin und der „Edlef-Köppen-Freundeskreis“ zu Genthin treten als Herausgeber auf. Zu beziehen ist diese Scheibe exklusiv über diese Bibliothek.

Obwohl sich die Präsentation in Wilhelmshorst ziemlich an die achtzig-Minuten-CD hielt und kein Wort der Kritik den schönen Abend trübte, war das Leben des Geehrten diese Veranstaltung wert. Zwei Ereignisse haben das Leben des 1893 geborenen Arztsohnes geprägt: Einmal der freiwillige Kriegseintritt 1914 samt Folgen. Er wurde im Schützengraben verschüttet, kam in einen feindlichen Gasangriff, welcher ihm Haut und Lunge dauerhaft schädigte. Als Leutnant hatte er seinen Kameraden das Töten anzubefehlen, doch als er selbst den Gehorsam verweigerte, steckte man ihn bis Kriegsende in eine Irrenanstalt. Sein in mehrere Sprachen übersetzter Roman „Heeresbericht“ vollzieht diesen Lebensabschnitt („einen Tag lang nicht töten!“) noch einmal künstlerisch nach.

Nach einem lektoralen Intermezzo beim Potsdamer Kiepenheuer-Verlag ging er 1924 zum Berliner Rundfunk, der zweiten „Prägestatt“ seines Lebens. In der literarischen Abteilung der „Funk-Stunde“ baute er bis 1933 eine ganze Serie von Sendeformaten auf, um dem „geistigen Deutschland“ Sprache und Wirkung zu geben. Er lud Autoren wie Zuckmayr und Döblin ein, Toller, Becher und Benn. Hier stellte er auch das Werk von Peter Huchel vor. Als er sich 1933 weigerte, „im Geiste Adolf Hitlers“ zu senden, entließ man ihn. Er lebte von literarischen Gelegenheitsgeschäften, konnte es sich aber als Dramaturg bei der Berliner tobis offenbar leisten, seine Mitarbeit an „rassistischen Filmen“ zu verweigern.

Ab 1933 dann Wilhelmshorst. Was ihm beim Bau seines Hauses am Friedensplatz widerfuhr, hielt er in dem Band „Vier Mauern und ein Dach“ fest. Anfang 1939 erlag er den Spätfolgen seiner Kriegsverwundungen. Er wurde in Wilhelmshorst beerdigt. Nach Ablauf der Frist wurde die Grabstelle zwar aufgehoben, beherzte Nachbarn konnten aber wenigstens seinen Grabstein retten.

Edlef Köppen war also kein „ganz Großer“, aber auch kein „Kleiner“. In seiner Jugend schrieb er Gedichte, später Prosa. Verdienstvoll ist auch seine Vermittlerrolle zwischen Autoren und Lesern beim Verlag und beim Rundfunk. Das sollte die Gemeindeverwaltung doch bewegen, einen „Findeort“ für die wachsende Fangemeinde von Köppen einzurichten. Auf dem Friedhof, im Rahmen seiner „Vier Wände“ oder, wie jemand vorschlug, im öffentlichen Raum. Bei Huchel ging das ja auch: „Vielleicht könnte man den Friedensplatz in Edlef-Köppen-Platz umbenennen?“ Na, Spaß muss schon sein!

Gerold Paul

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