Potsdam-Mittelmark: Fingerzeig für Teltow
Peter Könnicke
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Es mag für den gutbürgerlichen Teltower ein seltsames, vielleicht auch unbehagliches Bild gewesen sein, als er am Samstagnachmittag aus dem Fenster sah. Über 200 junge, meist schwarz gekleidete Leute mit Sonnenbrillen und Kapuzen zogen durch die Stadt. Aus einem Lautsprecher röhrte Musik. Und eine üppige Polizeieskorte navigierte den Zug durch die Straßen.
Doch die Gründe, die die Demonstranten nach Teltow gebracht hatten, sollte denen auf den Balkonen und hinter den Gardinen zu denken geben. Seit langem gibt es in Teltow rechtsextreme Auswüchse und braune Ausflüsse. Sie zeichnen einen Teil des Stadtbildes. Der rechte Szeneladen „Nordic Thunder“ macht seit Jahren mitten in der Altstadt seine Geschäfte – direkt neben dem Bürgerzentrum und dem Schreibtisch des Bürgermeisters. Der „Musicparc“, die Diskothek in der Oderstraße, sorgt seit Jahren regelmäßig für Schlagzeilen, weil es zu rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Übergriffen kommt. An Laternen kleben in penetranter Beständigkeit Nazi-Sprüche. Man spricht von Teltower Kameradschaften und rechten Cliquen, die sich in der Stadt mit linken Gruppen Prügelszenen liefern. Der Staatsschutz weiß um die rechten Strukturen in der Stadt und dokumentiert das jährlich in seinen Berichten.
Teltows Einwohnerschaft ebenso wie Politik und Stadtväter nehmen das hin. Nachhaltige, wiederkehrende und offen geführte Auseinandersetzung und Aufklärung gibt es nicht. Es gibt zu gegebenen Anlässen Gesprächsrunden, ja. Doch das ist Aktionismus! Vielmehr herrscht ein Klima des Wegschauens, der Ignoranz, ja des Duldens. Genau das ist der Nährstoff für braune Keime.
Wer am Samstag durch Teltows Altstadt ging, sah Fenster und Türen des rechten Szeneladens vernagelt. Es mussten erst ein Stein in die Scheibe der Nazi-Bude fliegen und linke Jugendliche aus Berlin, Henningsdorf und Potsdam durch Teltow marschieren, ehe dieser braune Klecks unkenntlich gemacht wurde. Die Teltower selbst müssen sich fragen, ob erst Steine fliegen müssen und ob sie regelmäßig den Fingerzeig linker Autonomer brauchen, um mit rechten Umtrieben in ihrer Stadt aufzuräumen. Der Protestzug am Samstag muss nicht gefallen haben. Aber das Signal muss in Teltow angekommen sein.
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