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Von Peter Könnicke: Fischer kämpft mit Frost und Schnee

Bis die Eisdecke trägt, schält Tobias Mai neue Reusenstangen / Dann geht er auf Hecht und Zander

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Werder (Havel) - Schnee und Minustemperaturen können den Fischer Tobias Mai aus Werder nicht verdrießen. „Der Dauerfrost ist gut“, sagt der Mann und blickt über die gefrorene Havel. Das Eis behindere die fischenden Kormorane. „Die Vögel haben nicht so viel Angriffsfläche und kommen nicht an die Fische“, sagt Mai. Dennoch macht die derzeit anhaltende winterliche Witterung den Fischern die Arbeit schwer. Solange die Eisdecke auf den Seen nicht trägt, kann nicht gefischt werden. Die dicke Schneedecke verhindert das schnelle Gefrieren.

Also heißt es „Stangen schälen“. Von den Reusenstangen wird die Rinde geschält, was körperlich schwere Arbeit ist. „Wenn man fleißig ist, kann man 15 Stangen am Tag schaffen“, sagt Mai. Im März werden die Reusen gestellt, dann müssen die Stangen trocken sein – „dann halten sie bis zu 30 Jahre“. Etwa 1500 Stangen stehen im Revier des Familienbetriebes, dessen Fischereirechte sich über die Havelseen von Kladow bis Uetz erstrecken. Früher stand auch die „Rohrwerbung“ auf den winterlichen Arbeitsplan der Fischer. Heute ist das Schilfschneiden eine Angelegenheit von nur kurzer Dauer. „Es gibt kein Schilf mehr“, begründet Mai, „heute kann man die Halme einzeln zählen.“ Grund für das Schwinden der Schilfgürtel ist die Bisamratte, „die alles weggefressen hat“.

Auch mit Eis haben sich frühere Fischer-Generationen im Winter Geld verdient, indem sie es auf Schlitten in Eiskeller transportiert haben, wo es als Kühlmittel verwendet wurde. „Inzwischen gibt es Kühlschränke“, resümiert Mai. Und auch der Appetit auf Fisch habe sich verändert, was die winterlichen Fangzüge der Fischer heute anders aussehen lässt als früher. Damals galten Blei und Plötze noch als „Massenfisch“, berichtet Mai. „Heute will die keiner mehr, weil sie so grätig sind.“ Noch vor 50 Jahren wurden Zugnetze mit einer Flügellänge von 500 Metern unter dem Eis durchgezogen und massenweise Bleie und Plötzen, die in Winterstarre über dem Grund stehen, eingesammelt und an Land geholt. 16 Mann brauchte man, um die Netze durchs eisige Wasser zu ziehen. Heute lohnt der Aufwand nicht, denn die Fischer würden ihren Fang ohnehin nicht los werden.

Stattdessen werden im Winter vor allem Zander und Hecht gefischt. In das Eis werden Löcher hineingeschlagen und Stellnetze ins Wasser gebracht. Anderthalb Meter über dem Grund gehen Zander und Hechte ins Netz, da diese auch im Winter fressaktiv und in Bewegung sind. Nach ein paar Tagen werden die Netze wieder eingeholt. „Aber groß sind die Erträge nicht“, weiß Mai schon jetzt. Es wäre leichter, im Mai zu fangen, aber der Fischer schüttelt den Kopf: „Das verbietet sich, denn da ist Laichzeit. Wir wollen eine nachhaltige Fischerei.“

Auf der Werderaner Insel praktiziert man Nachhaltigkeit seit 280 Jahren im Familienbetrieb. Tobias Mai hat das Handwerk vor einem Vierteljahrhundert gelernt – auch den Winterdienst mit Eisaxt, Eiskrampen unter den Schuhen und Schlitten. Doch die alten Techniken haben nahezu ausgedient, das Fischereihandwerk selbst ist selten geworden. 33 Fischer zählte die Zunft nach dem Zweiten Weltkrieg in Werder. Heute gibt es noch drei.

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