Potsdam-Mittelmark: Fischer Mai und seine Sorgen
Seit 1990 ist die Fangmenge um 60 Prozent zurückgegangen / Der Feiertagsschmaus ist dennoch sicher
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Seit 1990 ist die Fangmenge um 60 Prozent zurückgegangen / Der Feiertagsschmaus ist dennoch sicher Von Wolfgang Post Werder - Mit Leib und Seele ist Familie Mai aus der Werderschen Torstraße seit Generationen Fischer. „Wir können unsere Familiengeschichte als Fischer bis 1732 schriftlich belegen“, sagt Wilhelm Mai, „aber die wie vielte Generation jetzt Tobias ist? Da muss ich passen.“ Fischermeister Wilhelm ist jetzt 70 und hat den Betrieb längst in die Hände seines Sohnes Tobias gelegt. „Aber Vater lässt es sich nicht nehmen, wenn es irgend geht, morgens mit hinaus aufs Wasser zu fahren“, erzählt der Fischwirtschaftsmeister, „dabei könnte er es sich doch zu Hause gemütlich machen.“ Doch sich einfach so zur Ruhe setzen – das kann kein Fischer. Vom Senior erlernte mittlerweile auch Enkel Alexander Mai allerhand Wissen für seinen Beruf. Die Firma Mai ist jetzt staatlich anerkannter Lehrbetrieb, und Alexander der erste hier ausgebildete Fischwirt. „Wir sind eben ein bisschen verrückt“, meint Tobias Mai. Von ihrer täglichen Arbeit hält sie kein Wetter ab. Leider spielt die rechte Freude nicht mehr so mit wie früher. „Wir kommen oft nicht mit den prall gefüllten Netzen zurück, wie es kürzlich durch die Medien ging. Das können nur die Teichwirtschaftler“, berichtet der Fischer. Die Situation habe sich arg verschlechtert. Seit 1990 sei die Fangmenge rapide um über 60 Prozent gesunken, bedauert Tobias Mai, der als Werderaner Innungsmeister seine Zunft vertritt. Eine der Ursachen sei der gefräßige Kormoran. Ein Pfund fresse ein Vogel täglich. Bei einem gegenwärtigen Ertrag von 20 Kilogramm Speisefisch von einem Hektar Wasserfläche und dem großen Vorkommen der gefräßigen Vögel bleibe für die menschliche Ernährung nicht mehr viel übrig. „Zwar ist der Kormoran seit 1. August 2005 abschussfrei, aber nur 20 Prozent der Fischer des Landes Brandenburg besitzen einen Jagdschein. Andere pachteten zwar Jagdbezirke, haben aber wenig Interesse, Kormorane zu schießen.“ Ein wichtiger Faktor für den Fischbesatz ist das Wasser. „Doch seit Jahren schon gibt es zu der Zeit, wenn die Hechte laichen, fast keine überfluteten Flachstellen wie Uferwiesen mehr. Mitte April wird überdies der Wasserspiegel der Havel und damit auch ihrer Seen durch Öffnen der Schleusen künstlich abgesenkt, damit die Landwirte auf ihre Flächen kommen“, erläutert Mai. Dadurch trockne der abgelegte Hechtlaich ein. Jungfische kämen nicht nach. Vor 26 Jahren habe die Havel das letzte Mal Hochwasser geführt. Zwar sei es erfreulich, wie sich in den zurückliegenden Jahren die Sichttiefe der Havelgewässer verbessert habe, doch auch das gefällt den Fischern nicht so recht, weil damit der Besatz von Zander zurückgeht. „Ist das Wasser klar, kann eindringendes Sonnenlicht die Zanderlarven schädigen, wenn sie zum Fressen dichter an die Oberfläche kommen. Sie vertragen nur eine bestimmte Luxzahl an Helligkeit“, weiß Mai. Der Aal ist nach wie vor der so genannte Brotfisch für die Fischer. Doch die fünf Haupt- und zwei Nebenerwerbsfischer der Werderaner Innung müssen jetzt tiefer in die Tasche greifen, wenn sie mit Glasaalen den Bestand aufbessern wollen. 1990 kostete ein Kilo Glasaale 150 bis 180 Mark. Heute, mit dem Monopol der Aalfarmen in China, sei ein Kilo für 900 bis 1200 Euro zu haben. „Aber ganz so trübe wollen wir unseren Broterwerb nicht sehen“, räumt Tobias Mai ein. „Jeder Kunde erhält seinen Fisch , den er gern möchte, ob frisch oder geräuchert, an unserer Verkaufstheke in der Torstraße neben der Inselbrücke.“ Karpfen und Forellen beziehen die Fischer wie auch die anderen Kollegen aus Teichwirtschaften. Sie sind das ganze Jahr über in Hältern vorrätig, ebenso Hechte und Zander. „Plötzen und Weißfische verlangen die Kunden fast gar nicht. Die müssen eben bei der Tierverwertung entsorgt werden.“ Auch wird niemand in diesem Jahr auf seinen Weihnachts- oder Silvesterkarpfen verzichten müssen, versichert der Fischermeister. Ein beträchtlicher Teil der Fische, die zu den Feiertagen über den Ladentisch gehen, ist bei der Familie Mai bereits seit einem Jahr in guter Pflege – des feineren Geschmacks wegen. „In den nächsten Wochen wollen wir dann noch ein paar Edelfische unter anderem im Schwielowsee fangen. Bedingung ist, dass sich das Wasser weiter abkühlt. Mit 10 Grad ist es derzeit noch zu warm“, sagt Tobias Mai. Die Begründung ist einfach: Bei kälteren Temperaturen werden die Fische träger und können mit Zugnetz gefangen werden. Die Reusen werden zuvor eingeholt.
Wolfgang Post
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