Aus dem GERICHTSSAAL: Flog die Latte oder nicht? Strittige Nachbarn erneut vor Gericht / Freispruch
Werder · Petzow – Ein seit Jahren in Petzow schwelender Nachbarschaftsstreit beschäftigte jetzt erneut das Gericht. Diesmal allerdings reichte es dem Staatsanwalt.
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Werder · Petzow – Ein seit Jahren in Petzow schwelender Nachbarschaftsstreit beschäftigte jetzt erneut das Gericht. Diesmal allerdings reichte es dem Staatsanwalt. „Es ist erschreckend und beschämend, dass Erwachsene mit Intellekt nicht in der Lage sind, ihre Probleme ohne Hilfe der Justiz zu klären“, grollte er. „Und da stets Aussage gegen Aussage steht, wird es immer wieder In-dubio-pro-reo-Entscheidungen geben.“
So auch im jüngsten Fall: Falk F.* (43), Angestellter im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, soll am 6. Oktober 2003 während eines Prozesses gegen den Archivar Götz G.* (55) wegen versuchter Sachbeschädigung einen Meineid geschworen haben. Jetzt saß er selbst auf der Anklagebank. Meineid gilt als Verbrechen. „Mein Mandant hat die Wahrheit gesagt, indem er versicherte, er habe nicht gesehen, dass eine Latte flog“, ließ Rechtsanwalt Jörg Baumgart zu Verhandlungsbeginn verlauten.
Es geht um eine Zaunlatte mit rostigen Nägeln. Götz G. wollte im Sommer 2002 den Zaun um sein Grundstück erneuern, hatte befreundete Anwohner, so auch Falk F., um Hilfe gebeten, als Flugkapitän Wolf W.* (47) in seinem Jeep die unbefestigte Straße entlanggefahren kam. Plötzlich – so die Aussage des aus dem Altbundesgebiet zugezogenen und mit diversen Anwohnern im Clinch liegenden W. – habe er eine Bewegung des Götz G. wahrgenommen, danach etwas fliegen sehen. Er habe reflexartig gebremst, danach die mit Nägeln gespickte Latte vor dem linken Vorderrad seines Mobils entdeckt.
„Das war Absicht“, war sich der Neu-Petzower sowohl im Prozess gegen Götz G. als auch während der Verhandlung gegen Falk F. sicher. Zudem habe er deutlich die Worte vernommen: „Jetzt kriegt der Wessi eins aufs Maul.“ Danach – so Wolf W. – sei Falk F. mit vorgestreckten Armen auf ihn zugekommen. „Ich habe ihm aber einen Stoß gegen den Brustkorb versetzt. Er flog danach erstaunlich weit“, resümierte der Pilot im Zeugenstand. „Haben Sie eindeutig gesehen, dass Götz G. die Latte geworfen hat?“, brachte es die Vorsitzende des Schöffengerichts auf den Punkt. Das verneinte der Alt-Bundesbürger.
„Ich habe die Zaunlatte nicht geschmissen, sie lag einfach da“ beteuerte Götz G. vor Gericht. An jenem Sommertag sei Wolf W. mit seinem Geländewagen dermaßen schnell angebraust gekommen, dass er und Falk F. sich vorsichtshalber auf das Grundstück verzogen. Plötzlich habe der Wessi gebremst, sie beschimpft und Falk F. angegriffen. „Wir waren alle sehr erschrocken.“
Staatsanwalt und Richterin hatten genug gehört, verzichteten auf die Vernehmung weiterer Zeugen. „Dem Angeklagten konnte nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass er bei der Verhandlung im Oktober 2003 die Unwahrheit gesagt hat, konstatierte der Vertreter der Anklage. „Wir konnten nicht einmal klären, ob überhaupt eine Latte flog. Götz G. bestreitet einen derartigen Wurf. Wolf W. hat lediglich etwas fliegen sehen.“ Falk F. sei daher nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ freizuspechen. Dem schloss sich das Gericht an. (*Namen geändert.) Hoga
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