Von Tobias Reichelt: Fragen, Regen, Irritationen
Abwrack-Ansturm in Teltow bleibt aus, Rathaus durch Medien aufgeschreckt
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Teltow - Tag eins der Fahrrad-Abwrackprämie in Teltow: Es regnet in Strömen, Radfahrer sind auf der Potsdamer Straße weit und breit nicht zu sehen. Dafür verkünden große Buchstaben auf der Schaufensterscheibe des einzigen Fahrradfachhändlers im Ort die Neuigkeit des Tages: „Abwrackprämie: Jetzt 50 Euro für Ihr altes Rad!“, hat Holm Roloff an die Scheibe geschrieben. Sein Laden hat geschlossen. Geöffnet wird erst 12.30 Uhr – ist das die Ruhe vor dem Sturm?
Es sieht nicht danach aus: Seit gestern können die ersten 100 Teltower bei Kauf eines neuen Fahrrads in der Stadt für ihren alten Drahtesel 50 Euro aus dem Stadtsäckel erhalten. Das Prinzip, in Mannheim erprobt, ähnelt der Auto-Abwrackprämie: Neues Fahrrad – Trekking-, City- oder Kinderrad – in Teltow kaufen, mit dem Beleg und dem alten Rad im Bürgerservice des Rathauses melden. Ist das alte Rad fahrbereit, der Ausweis aktuell und die Quittung okay, wird das Geld überwiesen. Soweit die von den Stadtverordneten beschlossene Theorie.
Praktisch gab es gestern im Rathaus noch ein paar Irritationen auszuräumen. „Abwrackprämie? Nein, die gibt es erst ab Montag“, sagt die freundliche Dame am Empfang des Bürgerservice. Mehr Informationen könne der Kämmerer, eine Etage höher, geben, erklärt sie. Abwrackwillige waren heute noch nicht bei ihr. Im ersten Stock des Hauses ist Teltows Finanzchef Rico Kasten in Hektik. Sein Telefon steht nicht still – interessierte Abwrackwillige? „Nein, Journalisten“, sagt er kurz. Die Prämie hat in den Medien Wellen geschlagen, Kasten hat es eilig. Er hat schon von der Panne im Empfang gehört: „Das ist Mist, die Prämie gibt es ab heute, nachher kommt schon das Fernsehen vorbei“, klagt er.
Wenig später steht der Kämmerer eine Treppe tiefer im Bürgerservice, instruiert die Angestellten, verteilt einen Vertragsentwurf zur Auszahlung der Prämie. Es gibt Fragen über Fragen: Wohin mit den Rädern, falls heute schon welche kommen? Im Keller des Fundbüros ist noch Platz. Werden es zu viele Räder, muss eine Hof-Garage geräumt werden – heute wohl noch nicht, es sei ja kein „Fahrradwetter“, sagt Kasten. Was ist ein City- oder Trekkingrad? Kasten denkt kurz nach. „Das neue Rad soll der StVO entsprechen“ – Schutzbleche, Gepäckträger, Licht. Jedenfalls gelten keine Rennräder, Freizeitvergnügen wird nicht subventioniert. Der alte Drahtesel muss noch rollen, die Stadt will die Räder an eine gemeinnützige Werkstatt in Kleinmachnow spenden. In der Union Sozialer Einrichtungen sollen sie aufpoliert werden.
Während Teltows einziger Fahrradfachhändler noch schläft, weiß man im Praktiker-Baumarkt gar nichts vom Rathaus-Zuschuss: „Abwrackprämie?“, fragt Marktleiter Andreas Winzer. Die Stadt habe ihn nicht informiert, sagt er – und beginnt sofort zu rechnen: 140 Euro kostet ein billiges Rad im Baumarkt, minus 25 Prozent Praktiker-Rabatt minus Prämie macht 55 Euro – mit allem drum und dran. „Ein Schnäppchen“, staunt Winzer. Er macht sich sofort auf den Weg, ein Werbeschild muss her.
Zumindest darum hat sich Fahrradhändler Roloff schon gekümmert. Ausgeschlafen eröffnet er sein Geschäft. „Der Start war verhalten“, sagt er. Ein paar Kunden mehr sind im Laden, fragen nach der Prämie – kaufen aber nicht. „Tja“, sagt Roloff gelassen, „das Leben geht weiter.“
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