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Potsdam-Mittelmark: Freud und Leid des Fischers Mai

Wie sich das Klima auf die Werderaner Fischgründe auswirkt

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Werder - Auch in diesem Jahr wird es trotz der herbstlichen Witterung ausreichend Silvesterkarpfen geben. In dieser Hinsicht kann Fischwirtschaftsmeister Tobias Mai aus der Werderaner Torstraße seine Kunden beruhigen. „Wir haben uns schon vor längerer Zeit mit Karpfen gut bevorratet“, berichtet er. Die längere Vorhaltung in den Netzen habe aber auch noch eine andere Bedeutung. „Karpfen direkt aus der Teichwirtschaft zurecht gemacht, schmecken nicht. Hier im Havelgewässer erhalten sie erst ihr köstliches Aroma“, erzählt der Werderaner Fischer.

Doch wie steht es um die Zukunft der Fischerei im Havelland? Befürchtungen sind bereits laut geworden, dass sich der „fehlende Winter“ negativ auf den Fischbesatz in den Seen und Flüssen auswirken könnte. Fischer Mai sieht das nicht so dramatisch. „Wir werden auch in den nächsten Jahren unseren Fisch wie Zander, Aal oder Hecht frisch und gut genährt anbieten können“, versichert er. Bei der gegenwärtigen Wassertemperatur von sechs Grad-Celsius sei bei den Fischen zwar keine Winterruhe eingekehrt. Beim Umherziehen würden sie aber noch genügend Futter wie beispielsweise Bachflohkrebse finden.

Zudem weist Tobias Mai darauf hin dass immer noch Blätter an den Bäumen hängen. „Fällt das Laub ohne Wind, heißt es warm anziehen“, sage eine Bauernregel. Es kann also noch kalt genug werden. Der Fischer erinnert sich auch an vergangene Jahre: „Am 24. Dezember 1978 flogen bei 18 Grad Mittagstemperatur meine Bienen aus. An meinem Geburtstag, dem 31. Dezember, lagen dann rund 50 Zentimeter Schnee bei minus 28 Grad.“ Tobias Mai ist sich sicher: „In den nächsten Tagen wird es kälter. Etwa 14 Tage, nachdem die USA-Ostküste Schnee und Eis meldet, ist der Winter hier.“ Dann seien 100 Tagesgrade unter Null bis zur Entstehung einer Eisdecke notwendig, das heißt zehn Tage bei minus 10 Grad oder entsprechend 20 Tage bei minus 5. „In dieser Zeit können sich die Fische auf ihre Ruhezeit am Gewässergrund einstellen.“

Für Mai und die anderen Havelfischer ist der Wasserstand das größere Problem. „Wir haben Sommerwasser. Die Spree liefert der Havel nicht mehr genügend, weil sie zum Füllen von Tagebauen angezapft wird“, sorgt sich der Fischer. Bezeichnend sei, dass an der Messstelle Ketzin an drei Tagen in diesem Jahr sogar ein „Bergauf-Fließen“ der Havel festgestellt wurde.

Ein weiteres Problem sei in diesem Jahr das Ausbleiben der Herbststürme gewesen. Als Tobias und Vater Wilhelm Mai vor einigen Tagen auf dem Glindower See die Stellnetze kontrollierten, sahen sie tiefschwarze Grundleinen. „Das ist ein Zeichen starker Schwefelwasserstoff-Ansammlung in der Tiefe. Ein kräftiger Sturm hätte die Wassersäule durcheinander gebracht, wodurch sich der Schwefelwasserstoff aufgelöst und das Wasser zum anderen mit Sauerstoff angereichert hätte“, so der Fischer. Überdies würden in diesem Jahr noch 50 bis 60 Liter Niederschlag je Quadratmeter fehlen.

Im Schwielowsee bei Ferch haben die Mais in diesem Sommer 27 Grad gemessen. Das sei aber noch kein Rekord, betont der Altmeister. „1973 zeigte mein Thermometer dort 36 Grad. Da gab es keine größeren Schäden unter den Fischen. Doch Tausende Dreikantschnecken gingen kaputt.“ Die Fischer beobachteten indes im Sommer 2006, wie sich durch die Wärme die Dreikantschnecken stark vermehrten. „Zweimal laichen ist normal, aber in diesem Jahr laichten sie dreimal.“ Durch ihr intensives Filtrieren werde das Wasser der Seen noch klarer. Dies sei ein Vorteil für die Kormorane, die nun noch sicherer ihren Tagesbedarf von 500 Gramm Fisch abdecken könnten.

Dem Zander nutze die größere Sichttiefe in den Seen nichts, denn seine Brut gedeiht nur bei „gefilterter“ Sonne. Dem Hecht wäre klares Wasser ganz angenehm. Aber er habe kaum noch Möglichkeiten, um erfolgreich zu laichen. Nur in höchstens 40 Zentimeter Tiefe können in 120 Tagesgraden Jungfische schlüpfen. „Doch wo gibt es im Frühjahr hier noch überschwemmte Wiesen“, fragt Altmeister Wilhelm Mai. „Auf den Wiesen am Schwielowsee, wo ich mit meinem Vater vor etwa 50 Jahren noch gefischt habe, stehen heute mannsdicke Erlen.“ Für die Karpfen indes war der Sommer 2006 ein guter. Ob Teich- oder Naturkarpfen: Alle hatten übernormalen Zuwachs.

Wolfgang Post

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