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Gerold Paul wünscht sich ein lautes Auf-die-Pauke-Hauen: Friede, Freude, Eierkuchen

Nix los mit der KulTour zum Jahres-Ultimo. Außer den üblichen Festtags-Launen in Kirche und Kontor so gut wie keine Angebote.

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Nix los mit der KulTour zum Jahres-Ultimo. Außer den üblichen Festtags-Launen in Kirche und Kontor so gut wie keine Angebote. Als suchend-grübelnder Anrufer bekam man Körbe körbeweise: Mal weihnachtete es einem Künstler zu sehr, oder das Atelier sei gerade nicht aufgeräumt, oder man hatte früher mal nicht die günstigste Presse bekommen. Na gut, wenn das so ist, wird es ein völlig unverbindlicher Rückblick auch tun, zumal sich viele Offerten ja inzwischen ganz ordentlich ins allgemeine Volksleben eingefügt haben. Die Künstlerschaft aus Potsdam-Mittelmark kann es also zufrieden sein, die Obrigkeit auch, gleichwohl das früher noch ganz anders war. Konsenszeit indes macht schläfrig, wer’s nicht merkt, der ist vielleicht schon eingepennt. Hier und da hatte man, ja, erfolgreich Theater gespielt, flüsternde und noch andere Bücher erschienen, Lesungen gab es, offene Ateliers, mehr oder weniger kunstreiche Touren und Meilen, eine unüberschaubare Zahl neuer Bilder entstand, was von all dem wäre da aus dem Rahmen gefallen? Als „Weckdienst“ zum Beispiel? Alles im Soll, auch bei denen, die nicht am Öffentlichen Tropf saugen müssen. Wann eigentlich gab es den letzten öffentlichen Kultur- und Lebenseklat, ein lautes Aus-der-Reihe-Tanzen, ein Auf-die-Pauke-Hauen, bis dem Bildungsbürger die Hutschnur platzt und er wütend entfloh? „Abweichungen“, von denen die Kunst immer zehrte? Wann, bei den Kunst-Touren zum Beispiel, hätte jemand mal gesagt: Ich will Euer ordentliches Leben nicht, hier ist meines, das habe ich Euch gemalt! Nun fresst!

Es scheint, als seien alle guten Geister eingeschlafen, besonders die Geister der Wachheit. Wird überhaupt mal Gegenwart dargestellt, dann so, wie es die Öffentlichkeit ohnehin kennt, nicht nach eigener Art. Elementaren Fragen stellt sich heute offenbar kaum einer mehr: Nach Sinn und Tiefe des Lebens, nach einer vage werdenden Zukunft, nach den Gründen von Macht und Ohnmacht, nach dem altruistischen Ich, das jeder braucht, nicht zuletzt nach religiösen Aspekten, selbst wenn sie nur unter „Kultur“ gefasst wären. Musik kann so etwas, zum Beispiel die in Caputh. Was davon beim Rezipienten ankommt, macht sich gänsehäutig bemerkbar, und dass man später noch daran denkt.

Das meiste freilich wird als „Kunst“ nur behauptet, und vom Bildungsbürger auch treulich geglaubt. Alles ist Werk, doch wo ist die Kunst? So viel Beliebigkeit. Es fehlt also nicht an Worten und Bildern, sondern an welt- und menschengreifenden Dimensionen, die nicht an der Oberfläche kratzen und kleben, sondern die Tiefen der Seele suchen. Erst dort wohnt jener „heilige Schauder“, der die Schläfer weckt und bewegt, dort ist die Kunst, die Seelen-Sache. Töplitzens Galerie hat davon etwas gezeigt, ArtEvent in den „Kammerspielen“ mitnichten, das war einfach nichts. Krasse Enttäuschung, ohne Stachel geht eben gar nichts hienieden. Doch gemach: Von den täglichen Werken wird ohnehin kaum etwas bleiben. Vom Riesenheer der Künstler so wenig, wie von manch armem Kritikus. In diesem Sinn in aller Rouh: Zum Ultimou!

Gerold Paul

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