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Versteckte Grabmale und Skulpturen zeichnen den Südwestkirchhof aus.

© kig

Potsdam-Mittelmark: Friedhof als Museum

Stahnsdorfer Südwestkirchhof war eine von 37 Einrichtungen im Kreis, die Samstag ihre Türen öffneten

Stand:

Stahnsdorf – Efeu rankt über Grabsteinen, umarmt Baumstämme und lässt Mauern unter seinen Wogen nahezu verschwinden. Dazwischen Gräser, Farne und letzte Brombeeren. Die Besucher, die über den Stahnsdorfer Südwestkirchhof spazieren, schwärmen vom urwüchsigen Charme der Anlage. Der zweitgrößte Friedhof Deutschlands hat sich längst einen Namen als Freiluftmuseum über Landesgrenzen hinaus gemacht.

Bei der Aktion „Feuer und Flamme für unsere Museen“, mit der der Landkreis traditionell zum Saisonende noch einmal für einen Besuch in hiesigen Heimathäusern und Museen wirbt, durfte der Südwestkirchhof nicht fehlen. Überall zwischen Teltow, Ziesar und Treuenbrietzen nutzten Ausflügler die Gelegenheit, eine oder mehrere der insgesamt 37 Einrichtungen zu besuchen. Gelockt wurden die Besucher von einem bunten – und zum Teil flammendem – Rahmenprogramm, das überall die laufenden Ausstellungen ergänzte. Auf dem Südwestkirchhof waren es vor allem die prominenten Namen auf den Grabsteinen, die viele Besucher hier her pilgern ließen: Friedrich Wilhelm Murnau, Heinrich Zille, Rudolf Breitscheid. Abends wurden Gräber und Gruften mit Kerzen erleuchtet.

Anders als auf den typischen deutschen Stadtfriedhöfen sind die Gräber hier nicht in Reih und Glied geordnet. Auch die Pfade verlaufen nicht schnurgerade, sondern kurvenreich und lassen Raum für Entdeckungen. So manches verwitterte Kreuz, eingewachsen von Sträuchern, verführt dazu, die Pfade zu verlassen, um die eingemeißelten Jahreszahlen und Inschriften zu entziffern. Unerwartet findet sich zuweilen im fast zugewachsenen Refugium ein frischer Strauß neben einer Grabplatte. Sterbedaten aus den 1930er Jahren. Erinnert sich noch jemand an die Verstorbenen? Nachkommen auf Spurensuche? Vielleicht. Dagegen sind die Ruhestätten der Familien Siemens, Wissinger und Harteneck schon hinsichtlich ihrer Größe steinerne Monumente gegen das Vergessen.

Der mit Pharaonen geschmückte Begräbnistempel der Familie Harteneck war am Samstag auch für Besucher geöffnet. Von denen schlängelten sich aber nur die wenigsten über die kleine eiserne Treppe in die Gruft, wo der steinerne Sarkopharg des Ägyptologen und Forschungsreisenden Albert Harteneck (1858-1912) liegt. Nur etwa 50 Meter entfernt befindet sich mit 1100 Quadratmetern die größte Begräbnisanlage des Kirchhofes: das Grab des Firmengründers Werner von Siemens. Ein schmiedeeisernes Tor zwischen Kalksteinmauern, die einen mit Blumen bepflanzten Innenhof umgeben. Die Stirnseite ziert das Porträtmedaillon des Industriellen.

Doch nicht in jedem Falle harmonieren die repräsentativen Grabbauten wohlhabender Familien mit dem ursprünglichen Charakter des Waldfriedhofes, den einst der Gartenarchitekt Louis Meyer entwarf. Nachdem der Friedhof 1909 seiner Bestimmung übergeben wurde, dominierten vor allem unbehauene Natursteine und Monolithe. Mit Beginn der Weimarer Zeit bauten wohlhabende Bürger dann auf dem Südwestkirchhof ihre „letzten Häuser“ – eine Ära die nach dem Zweiten Weltkrieg endete: Der Trend zur Feuerbestattung änderte auch die Begräbniskultur. Heute werden anonyme Bestattungen zum Regelfall, auch auf dem Südwestkirchhof. Das erschwere die Trauerarbeit und die Verbindung zu den eigenen Wurzeln, klagt der Evangelische Friedhofsverband. Künftig wird die Suche der Enkelgeneration vor einem namenlosen Urnenfeld enden. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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