KulTOUR: Fröhliche Winde Absurde Einakter
in der Comédie Soleil
Stand:
Werder (Havel) - Wie sinnvoll ist diese Welt, wie sinnlos jeder Versuch, sie durch Klugheit und Wissen erkennen zu wollen! Hat sie einen Sinn, muss man ihr erst einen verpassen, oder ist das alles nutzlos, weil sie eh keinen hat? Mehr als jede andere Gattung hat sich das Theater nach dem Krieg mit diesem großen Thema beschäftigt, denn die „Absurden“ von damals, Beckett, Adamov, Gatti oder Ionesco, misstrauten den Denkgebäuden ihrer Zeit nur zu sehr. Mit Witz und Höhnen und guten Parabeln kehrten sie aus, was sich was da wichtig und sinnvoll geben wollte, vor allem die etablierte Macht. Eine so dreiste Subversion gefiel nun den Bürgerlichen so wenig wie den Sozialistischen, auch den Kirchlichen nicht, denn das stellte ja ihre feingezimmerten Legitimationen ganz unerhört infrage.
Klar, warum dieses Thema so aktuell ist, klar auch, warum sich die großen Theater längst davor drücken, die Gretchenfrage mal absurdo zu stellen. Wind muss blasen, Frischluft muss her! Für die immer etwas erfolgreicher werdende Comédie Soleil in Werder ist das kein Problem. Unter dem etwas zugigen, aber sehr zugkräftigen Namen „Der fröhliche Furz“ inszenierte Michael Klemm nun vier Einakter zu einer „Reise in die Welt des absurden Theaters“, was nach den alten Lateinern misstönend und ungereimt, aber auch untauglich heißen kann.
Neben Ionesco wurde endlich auch dem vergessenen Autor Jean Tardieu die Ehre einer theatergemäßen Auferstehung zuteil, gar nicht schlecht inmitten der Karzeit, im Zentrum von Werder. „Das Möbel“ löste freilich nicht ein, was es sinnloserweise bedeuten wollte, nämlich Leuten einen sprechenden, kochenden, rechnenden und sogar staubwedelnden Gegenstand zu verkaufen. Hier fehlten David Segen der Untertext, Felix Sommer ein paar zusätzliche Spielideen, vor allem Richtung Parkett.
„Der Schalter“ erzählt eine tragikomische Geschichte: Ein Mann (Bernhard-Heinrich Herzog) will sich an einem Auskunftsschalter (Felix Sommer) Ratschläge für sein unselbständiges Leben holen, doch zuletzt endet tödlich, was ins Leben führen sollte. Dieser Einakter ist genauso trefflich geraten, wie „Die Sonate mit den drei Herren“, parliert von den genannten Darstellern. Hier erlebt der Zuschauer, wie gelehrt man über das Nichts disputieren kann. Vernunft und Rapuse kreuzen sich zwar, aber die Regie ging dann doch nicht so weit, die Geduld der Zuschauer bis in den letzten Winkel ihrer Gehirne zu prüfen, dort erst lauert, was allen Sinn unterläuft. Zwischen den Stücken versuchte man immer wieder, „den fröhlichen Furz“ zu erzeugen, aber hier muss mehr passieren, sonst erklärt sich diese titelgebende Wortschöpfung nicht.
Eugene Ionescos „Unterrichtsstunde“ zeigt, wie ein alter Professor (wieder Herzog in einer glänzenden Partie) an der ganz anderen Intelligenz seiner Nachhilfe-Schülerin (Nadja Winter) verzweifelt. Dabei nimmt er ästhetisch die Rolle des Publikums ein, das Mädchen den Part des Absurden. Professors Haushaltshilfe Felix Sommer spielt den Brückenbauer, denn was diesmal auf der absurden Bühne, vor und hinter dem flammroten Vorhang, geschieht, ist für den alten Gelehrten das erste Mal nicht. Ein Teufelskreis, und dabei ganz konsequent absurd! Nur die Sache mit dem Zahnschmerz bleibt offen, hat sie nun, oder hat sie nicht?! Die Bühne stammt diesmal von einer absurden Person namens „Möbellager“, die Kostüme mal wieder von RUDI.
Nächste Vorstellungen am 3. und 4. April 19.30 Uhr, am 5. April um 17 Uhr, Eisenbahnstr. 210
Gerold Paul
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