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Tendenz steigend: In Potsdam-Mittelmark gab es im vergangenen Jahr 95 Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung.

© DKSB

Potsdam-Mittelmark: Frühwarnsystem an Schulen

Zum Schutz der Kinder wollen Landratsamt und Pädagogen künftig noch enger kooperieren

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Potsdam-Mittelmark - Kommt ein Kind mit blauen Flecken zur Schule und erzählt von Gewalt in der Familie, ist für jeden Lehrer klar, dass er aktiv werden und die Schulleitung informieren muss. Doch in den wenigsten Fällen sind die Anzeichen von Kindesnot so gravierend und eindeutig. „Es gibt einen sehr großen Graubereich, oft wird das Kindeswohl allein durch Unterlassen gefährdet“, sagte Schulamtsleiter Ulrich Rosenau am Mittwoch auf einer Pressekonferenz im mittelmärkischen Landratsamt. Auch unangemessene Bekleidung oder fehlendes Frühstück könnten schon erste Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung sein. Nicht selten seien die Lehrer dann aber im Zweifel, ob sie den Eltern nicht vielleicht Unrecht tun, wenn sie eine erste Warnung weitergeben, berichtete Jugendamtsleiter Bodo Rudolph von seinen Erfahrungen.

Sicherheit und ein festes Schema für das Zusammenspiel von Schulen und Judenhilfe des Landkreises beim Kinderschutz soll jetzt eine Kooperationsvereinbarung geben, die gestern von Rosenau und Vizelandrat Christian Stein (CDU) unterzeichnet wurde. Seit Jahren habe man in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe bereits gute Erfahrungen gesammelt. Jetzt soll die Zusammenarbeit konzeptionell in Richtung präventiven Kinderschutz weiterentwickelt werden. Bedarf für ein solches Frühwarnsystem ist zweifellos vorhanden. Allein im vergangenen Jahr wurden der mittelmärkischen Jugendhilfe 95 Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung gemeldet. Die Tendenz ist steigend, nicht nur, weil die Öffentlichkeit durch die Schilderung drastischer Fälle in den Medien zunehmend sensibilisiert wurde. Auch die Probleme in den Familien würden zunehmen, ebenso wie die Zahl von Kindern mit psychischen Erkrankungen, so Rudolph.

Betroffen seien nicht nur Familien aus Problemwohngebieten mit einer hohen Zahl an Arbeitslosen. Rudolph kennt auch Beispiele von Kindern aus dem sogenannten Bildungsbürgertum, die unter dem Eindruck einer Ehescheidung und dem anschließenden Streit um Eigentum in eine gefährliche Krise gerieten. Auffällig sei auch, dass alleinstehende Eltern fünfmal häufiger die Hilfen des Landkreises zur Erziehung in Anspruch nehmen als gemeinsam lebende Eltern. In der am Mittwoch unterzeichneten Kooperationsvereinbarung wird jetzt bis ins Detail festgelegt, welche Leistungen die Jugendhilfe des Landkreises und die Schulen beim Kinderschutz zu erbringen haben. Zudem gibt es konkrete Angaben zur den Rechtsgrundlagen und den oft diskutierten Fragen des Datenschutzes. Schließlich wird den Pädagogen ein konkreter Handlungsleitfaden im Falle des Verdachts auf eine Kindesgefährdung in die Hand gegeben. Dabei geht es um schulinterne Verfahren bis hin zur Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt des Landkreises. Zudem werden jetzt für ein Pilotprojekt zwei Grundschulen im Landkreis gesucht, an denen das Frühwarnsystem zum Kinderschutz getestet werden soll. Dabei werde es sich um je eine Schule im ländlichen sowie im städtischen Bereich handeln, erklärte Rudolph.

Keinesfalls solle mit den verstärkten Bemühungen um den Kinderschutz in die Rechte der Eltern eingegriffen werden, hieß es auf der Pressekonferenz. Das Einschalten des Jugendamtes und damit auch die Datenweitergabe sei jedoch dann sinnvoll, wenn die Eltern nicht in der Lage oder Willens sind, eine Gefährdung ihres Kindes abzuwenden. Größtmögliche Sicherheit für Kinder würde eine Verantwortungsgemeinschaft aller Akteure geben. Dazu würden Lehrer und Kita-Erzieher ebenso wie Logopäden, Therapeuten und Verantwortliche in Sportvereinen zählen, erklärte Heike Wolff, die im mittelmärkischen Landratsamt als Kinderschutzfachkraft arbeitet. Potsdam-Mittelmark spiele in dieser Hinsicht seit Jahren eine Vorreiterrolle in Brandenburg, schätzte Katrin Kantak als Leiterin der Landeskooperationsstelle Schule-Hilfe ein.

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