
© hkx
Von Henry Klix: „Fünf vor zwölf“ auf Glindower Platte
Die Rettung von Werders Kulturlandschaft wird ein Fall für die Landtagsabgeordneten der Region
Stand:
Werder (Havel) - Andreas Kuhnert will jetzt dranbleiben. Der SPD-Landtagsabgeordnete hat gestern erstmals Fachleute, Politiker, Verwaltungsexperten und Obstbauern zum Obstbauforum in Werders Rathaus eingeladen. Die Brauchwasserversorgung muss gesichert, Kreditvergaben ermöglicht, ein Flächenpool geschaffen werden, wie Kuhnert nach anderthalbstündiger Debatte resümierte. Es geht um nichts geringeres als die Rettung der Obstbauregion: Die im Werderaner Raum verbliebenen Obstbaubetriebe brauchen Rückendeckung, wenn die Kulturlandschaft erhalten bleiben soll. Womöglich müssen sie enger zusammenrücken.
Der Werderaner Obstbauberater Manfred Lindicke warnte: „Es ist fünf vor zwölf.“ Das havelländische Anbaugebiet stehe vor dem Aus – wenn nicht bald Unterstützung von außen kommt. Ein dramatisches Beispiel ist ein teils verwahrloster, 100 Hektar großer Schlag auf der Glindower Platte: Die Bäume, die den Obstpanoramaweg säumen, scheinen kein schlechtes Alter zu haben. Die Sorten, die hier 1985 gepflanzt wurden – Kassins Frühe, Altenburger Melonenkirsche oder Schmahlfelds Schwarze – sind schmackhaft. „Aber heute kaufen die Leute große feste Süßkirchen“, so Lindicke. Was hier wächst ist klein und weich.
Das Sortenkarussel dreht sich, die Betriebe müssten jedes Jahr einen Hektar nachpflanzen, um konkurrenzfähig zu bleiben und gute Preise erzielen zu können. „Sie haben aber in den letzten vier Jahren keinen halben Hektar gepflanzt“, sagte Lindicke. Das Land sei ohne Konzept für diesen Wirtschaftszweig. In einer „Denkschrift“ forderte Obstbauexperte Professor Ernst Greulich, die Rahmenbedingungen für die letzten 23 Betriebe zu verbessern. „Nur von ihnen können noch sichtbare Impulse für die einstige Obstbauregion ausgehen.“
Mit der Märkischen Obstbau - und der Havelfrucht GmbH gebe es nur noch zwei Anbauer, die in der Lage sind, den Großhandel zu beliefern, so Greulich. Dabei ist das Interesse an regionalem Obst gewaltig, wie man in der „Werder Frucht Vermarktungsgesellschaft“ weiß. Die Anbaufläche ließe sich – gemessen an der Nachfrage – problemlos verdoppeln, so Werder Frucht-Geschäftsführerin Petra Lack. „Das Havelland hat einen guten Namen. Mit ordentlichen Partien ließen sich Preise erzielen, von denen alle leben können.“ Doch große Mengen gleicher Qualität könnten die Obstbauern kaum liefern.
Einmal mehr wurde gefordert, die Erneuerung der Kulturen aus dem Topf der Ausgleichmaßnahmen zu finanzieren. In der Region fielen nur halb so viele Niederschläge wie am Bodensee, die Böden hätten 0,4 Prozent Humusanteil, während es in Baden-Württemberg über drei seien, rechnete Obstbauexperte Greulich vor. Schlechte Vorzeichen für Streuobstwiesen, die mit Ausgleichgeldern bezuschusst werden. „Besser“, so Greulich, „man rettet die Kulturlandschaft.“ Davon ist nun auch Andreas Kuhnert überzeugt. Er will sich um eine Initiative regionaler Landtagsabgeordneter bemühen, um Änderungen durchzusetzen. „Da sehe ich mich in der Pflicht. Das muss gedehnt werden, zumal Brandenburg schon reich mit Naturschutzflächen gesegnet ist.“
Währenddessen will die Lokale Aktionsgruppe „Fläming Havel“ den EU-Leader-Topf anbohren, um eine Obstbauberatungsstelle auf die Beine zu stellen. Im Zuge dessen sollte es möglich sein, auch nach geeigneten und verfügbaren Obstanbauflächen zu suchen und sie in einem Fonds zu sammeln, so LAG-Chef Heiko Bansen. Der Landesverband Gartenbau brachte sich als Vermittler von Bürgschaften ins Gespräch. Mit der Konkurrenz von Energiewirten drohen die Flächen knapp, das Obst durch Mais verdrängt zu werden.
Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) als Gastgeber resümierte, dass solche Ideen seit Jahren erfolglos diskutiert würden. Die Stadt habe den Obstbau derweil mit 2 Millionen Euro bezuschusst. Allein für den Erhalt des Brauchwasserwerks würden weitere 1,3 Millionen benötigt. Große würde sich freuen, wenn Kuhnerts Bemühungen Früchte tragen. Das nächste Obstbauforum ist im Februar.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: