Aus dem GERICHTSSAAL: Fünffache Mutter muss zweieinhalb Jahre in Haft
Michendorferin prellte Versandhaus um 12 400 Euro – aus Kaufsucht. Sie hat die Chance auf offenen Vollzug
Stand:
Michendorf – Jede Menge Phantasie brachte Sandra S.* (33) auf, als sie per Internet bei der Firma S. Oliver Bekleidung bestellte, ohne sie zu bezahlen. 47 falsche Namen dachte sich die Michendorferin zwischen Juni 2010 und Juli 2011 aus. Die Ware wurde stets an die von ihr genannte Adresse geliefert. Schaden für das Versandhaus: rund 12 400 Euro. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Birgit von Bülow verurteilte die alleinerziehende Mutter von fünf Kindern im Alter zwischen fünfzehn und drei Jahren gestern wegen Betruges und Fälschung von Daten zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren.
Sie ging damit drei Monate über die von der Staatsanwaltschaft geforderte Sanktion hinaus. Raum für Bewährung sah die Richterin nicht. Schließlich sei die Michendorferin elffach vorbestraft, davon sechsmal wegen Betruges. Zudem habe sie die Taten während einer laufenden Bewährung begangen.
„Ich bin kaufsüchtig“, räumte die Selbstständige zu Verhandlungsbeginn ein. „Ich habe online Kleidung im Überfluss für mich und die Kinder bestellt, ohne sie zu brauchen. Teilweise liegen die Sachen noch unausgespackt in den Schränken. Ich kann sie jederzeit zurückgeben.“ Ihr Mann habe sie verlassen, weil sie ständig am Computer saß. Ein Sohn habe gesagt: „Was machst du denn für Scheiße, Mama. Du kannst doch nichts auf einen fremden Namen bestellen.“
„Aber ich habe den Kick gebraucht. Danach habe ich mich besser gefühlt“, so Sandra S. Mahnungen des Versandhandels habe sie ignoriert, das Bestellte irgendwann einfach nicht mehr sehen wollen. Inzwischen habe sie ihr Problem erkannt, am 10. Mai einen ersten Termin bei einer Psychotherapeutin. „Ich weiß, dass ich professionelle Hilfe brauche. Anders komme ich da nicht mehr heraus“, schätzte die Angeklagte ein.
Bei Fragen des Gerichts zu ihrer Person brach die Frau in Tränen aus. Ihr Vater habe sie abgelehnt. Brachte sie schlechte Zensuren nach Hause, sei sie von ihm ignoriert worden. „Mein jüngerer Bruder und ich mussten immer etwas Besonderes sein“, erzählte Sandra S. Auf Drängen der Eltern lernte sie den Beruf einer Bürokauffrau, heiratete früh, wurde schnell schwanger. Die erste Ehe ging in die Brüche, der Mann hinterließ einen Berg Schulden. Von ihrem zweiten Mann lebt sie derzeit getrennt. „Er hat gesagt, falls ich die Kaufsucht in den Griff kriege, haben wir vielleicht noch eine Chance.“ Vor einiger Zeit habe sie sich mit einem kleinen Laden, der ganz gut läuft, selbstständig gemacht, berichtete die Michendorferin. Ihr Verteidiger ergänzte: „In den letzten Monaten ist meine Mandantin auch nicht mehr straffällig geworden.“
Und es gab noch eine zweite Anklage. Sie legte Sandra S. zur Last, am 3. Juni 2010 per EC-Karte im Rosengut Langerwisch Pflanzen für 70 Euro erworben zu haben, obwohl ihr Konto bereits Anfang desselben Jahres erloschen war. „Stimmt“, meinte sie nur. „Die waren für unseren kleinen Garten.“
„Man kann auch Mütter mit Kindern nicht machen lassen, was sie wollen. Da fühlen sich doch alle veräppelt, die ordentlich durchs Leben gehen. Aber Sie haben die Chance, recht bald in den offenen Vollzug zu kommen“, so die Vorsitzende abschließend. (*Name geändert.) Hoga
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: