Potsdam-Mittelmark: Für Azubis freiwillig draufgezahlt
Im Seniorenheim „Am Schwalbenberg“ sind sich auch die Bewohner beim Thema Ausbildung einig
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Im Seniorenheim „Am Schwalbenberg“ sind sich auch die Bewohner beim Thema Ausbildung einig Werder - „Senioren-Blütenkönigin" steht auf der lilafarbenen Schärpe, die Hertha Anders über ihrer Sesselecke drapiert hat. Wert legt die 82-jährige besonders darauf, dass sie damit „von der echten Blütenkönigin gekrönt wurde. Und ihre Besucher, die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein und den SPD-Fraktionsvorsitzenden Günter Baaske, ließ sie gestern wissen, dass im Seniorenzentrum „Am Schwalbenberg" natürlich auch das Blütenfest gefeiert werde. „Ihre Hoheit", griff Baaske charmant den Faden auf, um nachzufragen, ob sie „den Hofstaat auch gut im Griff hätte?" Ohne Zögern bestätigte Hertha Anders, sie werde gut betreut und fügte dann vergnügt hinzu: „Ich kenne Sie aus der Zeitung!". Die Gäste, die sich auf ihrer Sommertour über regionale Ausbildungschancen informierten, erfuhren auch dass Hertha Anders als Mitglied des Heimbeirates kürzlich mit dafür stimmte, dass die praktische Ausbildung von Azubis gewährleistet wird. Dazu wurde es notwendig, den Eigenanteil der Senioren zu erhöhen, und das sind pro Tag 80 Cent. Entschieden haben die Bewohner sich dafür, weil sie überzeugt sind, dass die jungen Leute sie gut pflegen. Zurzeit werden vier Azubis im Seniorenzentrum ausgebildet. Eine ist die 18-jährige Martina Sauer, die nach einem freiwilligen sozialen Jahr erkannte: „Das ist mein Beruf." Allerdings verlange der Beruf einer Altenpflegerin nicht nur körperlich viel ab – auch psychisch, denn Sterben gehöre zum Alltag eines Seniorenheimes dazu. Mancher sei geschockt und breche die Ausbildung ab, weiß Martina Sauer. Dieses Risiko wolle man erst gar nicht eingehen, erklärte Geschäftsführerin Christina Nase, weshalb auch Schnupperkurse und Praktika für junge Leute angeboten werden. Denn ob jemand geeignet sei, stelle sich erst im Praxistest heraus. So beginne demnächst ein ehemaliger Zivildienstleistender eine Ausbildung zum Altenpfleger. Jedem Azubi wolle man nach der Ausbildung auch eine Arbeitsstelle in den Seniorenzentren der Arbeiterwohlfahrt garantieren. Zehn Häuser gebe es in Brandenburg mit rund 1000 Pflegeplätzen, die von 770 Mitarbeitern betreut werden, berichtete Christina Nase. Im Seniorenzentrum „Am Schwalbenberg", das im Oktober letzten Jahres eröffnet wurde sind es 77 Plätze und 54 Mitarbeiter, die meisten in Teilzeit. Angeboten wird in der Einrichtung auch eine Tagespflege mit 12 Plätzen, mit der Familien entlastet werden sollen, die Angehörige selbst pflegen. Eine Bereicherung sei auch das Angebot durch die Ein-Euro-Jobber, berichtet die Leiterin des Seniorenzentrums, Iris Utecht. Anfangs hätte es allerdings Bedenken bei einigen Mitarbeitern gegeben, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten. „Doch wir achten darauf, dass es ein zusätzliches Angebot bleibt", betonte Utecht. Dazu zählen Spaziergänge, Vorlesen, Spiele und Einkaufen. Kritisch sieht Utecht die Dauer von einem Vierteljahr für die Maßnahmen. „Es braucht Zeit, um Vertrauen zu den alten Menschen aufbauen zu können." Ein positiver Effekt sei, dass einige sich umschulen lassen wollen. Noch mehr junge Leute ausbilden, riet Günter Baaske im Gespräch, da absehbar sei, dass im Jahr 2015 die demografische Lücke spürbar werde. Schon bald sei nur noch mit 40 Prozent der heutigen Bewerberzahl zu rechnen, auch wenn die Dramatik gegenwärtig niemand wahrnehme. Mit bedacht werden müsse auch, dass die Zahl pflegebedürftiger Menschen steige, so Baaske. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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