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KulTOUR: Ganz in eigener Sache „Kleins großer Abgang“ in der Comédie Soleil

Werder (Havel) - Schauspieler beherrschen gar manches, eines aber können sie alle am besten: Schauspieler, respektive sich selbst, darzustellen. Das ist nicht nur bei den ganz großen Namen in Film und Fernsehen, sondern generell so, und zwar mit den überzeugendsten Ergebnissen.

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Werder (Havel) - Schauspieler beherrschen gar manches, eines aber können sie alle am besten: Schauspieler, respektive sich selbst, darzustellen. Das ist nicht nur bei den ganz großen Namen in Film und Fernsehen, sondern generell so, und zwar mit den überzeugendsten Ergebnissen. Nicht anders in der Werderschen Comédie Soleil. Michael Klemm und sein zum Teil neues Ensemble nutzten diesen Effekt für die neue Produktion „Kleins großer Abgang“ auf ziemlich bravouröse Weise – wann hat man unter diesem Logo zuletzt eine so lockere, kluge, leichtfüßige und endlich auch mal doppelbödige Komödie gesehen?

Der Text zu dem alerten Vierpersonenstück stammt von dem in Berlin lebenden Filmer, Drehbuchautor („Harts5“) und Musiker Julian Tyrasa, der in Werder auch als Regisseur angegeben wird, die Musik von einem gewissen Stefan Stuulbain. Nie gehört? Er ist doch der Verfasser des Stückes „Ausstieg“, mit dem der Prinzipal einer kleinen Provinzbühne den großen Durchbruch schaffen will.

Theater im Theater also, immer lohnenswert. Das Bühnenbild von Jens Uwe Behrend ist eine ziemlich geniale Spiegelung: Man schaut durch eine Künstlergarderobe hindurch auf die Bühne des Zadek-Verehrers Utz Klein (Michael Klemm). Seine Schauspielerkollegen Diana Berg (Nadja Winter) und Karl Hartmann (Romeo Riemer) haben sich mit ihrem Status abgefunden, Klein aber holte sich mit Anna Fontane (Karoline Hugler) extra ein Telesoap-Sternchen als Zugpferd ins Haus. Und er hat da einen an der Hand, der gerade ein Stück schreibt, ganz im Sinne von Zadek, wo es um Fäkalien und sonstige Tabubrüche geht. Wen? Na Stefan Stuulbain, nur soll das vorerst keiner wissen.

Die Regie hat dieses wunderbare Stück von leichter Hand mit Witz und viel Biss inszeniert. Jede Menge Animositäten und Giftereien der Mimen untereinander, zumal das Ensemble entsetzt ist, was für Schweinkram dieser Stuulbain da in den Text hineingeschrieben hat, unspielbar! Als Klein sich durchsetzt, entstehen Szenen voll ätzender Kritik am ästhetischen Theaterbetrieb von einst, toll!! Während diese Produktion hier also durchfällt, signalisiert man aus Übersee Interesse.

Diese empfehlenswerte Inszenierung balanciert auf der Kante zwischen Boulevard und Komödie, beide Male erfolgreich. Man agiert, wie sich das gehört, ordentlich gegeneinander. Diana fährt ihre besten Giftzähne aus, Karl hat den lakonischsten Humor aller Zeiten, Utz Klein pendelt zwischen Teddy und knallhartem Chef – Schauspieler eben in eigener Sache! Und Anna? Mal ist sie die Kichererbse, mal ein höchst verständiges Starlet, Hugler spielt das sehr effektiv, nur zu wenig dramatisch.

Wer freilich Klemms Roman „Die Hofnarren“ gelesen und das neue Werden der Soleil in Werder ein wenig verfolgt hat, wird in dieser Inszenierung viel Herzblut und Programmatik in eigener Sache finden. In „Kleins großer Abgang“ ist ja alles drin: eine Liebeserklärung an Bühne und Theaterspiel, Wunsch nach beruflichem Erfolg immer vor Ort, die Suche nach den besten Theatermitteln, damit die Bretter auch wirklich die Welt bedeuten, Sehnsucht nach verlässlichen Freundschaften.

Die Persiflage auf die Fäkal-Ästhetik macht deutlich, dass solche Sachen in Werder unerwünscht sind. Nur der Titel des Stückes selbst wird zu wenig bedient. Möge dieses probate Opus einen Stammplatz im neuen und verbesserten Spielplan bekommen. Das Zeug dazu hat es, denn hier sind Soleil und Comédie endlich einig und eins. Gerold Paul

Nächste Vorstellungen am 5. und 6. April um 19.30 sowie am 7. 4. um 17 Uhr

Gerold Paul

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