DasWAR“S: Garderobe mit Folgen
DasWAR“S Warum Peter Könnicke streng auf textile Botschaften achtet Es passiert in regelmäßigen Abständen: Ich komme nach Hause und meine Frau hat den Kleiderschrank aussortiert. Hemden, T-Shirts und Jeans sind eigenmächtig zur Kleiderspende freigegeben.
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DasWAR“S Warum Peter Könnicke streng auf textile Botschaften achtet Es passiert in regelmäßigen Abständen: Ich komme nach Hause und meine Frau hat den Kleiderschrank aussortiert. Hemden, T-Shirts und Jeans sind eigenmächtig zur Kleiderspende freigegeben. Ein Stapel der reinsten Provokation, der eine ernsthafte Auseinandersetzung garantiert. „Oh nee, das Shirt nich. Das ist mein Lieblingsteil!“ Die Diskussion endet damit, dass ich etwa ein Drittel der aussortierten Stücke behalten darf. Bis zum nächsten Mal. Ein Shirt allerdings konnte ich über die Jahre hinweg retten. Ich habe es nach der Wende bei meiner ersten Reise nach Amerika gekauft. Ein graues Teil, langärmelig, mit einem pinken Aufdruck: „Change the rules“ - Ändere die Regeln! Anfangs war mir die Botschaft gar nicht bewusst, mir haben einzig die Farben des Shirts gefallen. Bis ich einmal am Tresen meiner damaligen Stammkneipe saß, der Wirt meinen Aufdruck auf der Brust las und schrie: „Anarchie ist machbar, Herr Nachbar!“ Seitdem weiß ich um den politischen Gehalt des Pullis. Es gibt Journalisten, die ihre Garderobe von ihren Terminen abhängig machen. Ich achte da eher weniger drauf, was zu Diskussionen führen kann. In diesem Jahr gab es zum Beispiel im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft Trainingsjacken in den verschiedenen Nationalfarben zu kaufen. Hinten stand Dänemark, Schweden oder Griechenland drauf. Ich konnte mich nicht entscheiden und habe eine Jamaika-Jacke genommen. Kurze Zeit später hat mich bei einem Termin in Kleinmachnow jemand gefragt: „Wieso Jamaika, die spielen doch gar nicht mit?“. „Na eben“, habe ich gesagt. Könnte ich zwischen einer Jacke mit „Stahnsdorf“, „Teltow“, „Kleinmachnow“ oder „Nuthetal“ wählen, würde ich wahrscheinlich „Philippsthal“ nehmen. Bei meinem Anarchie-Shirt jedoch sehe ich mich in der Verantwortung. Was, wenn ich Teltows Bürgermeister in einem Interview nach den Erfolgen seiner Amtszeit frage und es ihm entgegen leuchtet: Ändere die Regeln!? Womöglich denkt er, ich wäre scharf auf seinen Posten. Oder ich treffe mich mit einer aufgeregten Kleinmachnower Bürgerinitiative und die lesen, dass Anarchie machbar ist. Die machen mich glattweg zum Revolutionsführer. Oder ich gehe zu einer Pressekonferenz ins Innenministerium und bekomme wegen meines rebellischen Outfits für die Dauer des Termins Fußfesseln angelegt. Nee nee, diese Risiken sind mir einfach zu groß. Meine Frau hat die textile Botschaft verinnerlicht. Sie legt das „Change the Rules“-Shirt nicht mehr zur Kleiderspende. Sie trägt es inzwischen selbst.
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