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KulTOUR: Gauster in Werder!

Die neue Ausstellung auf der Bismarckhöhe

Stand:

Werder (Havel) - Mit diesem gruseligen Flügelflagel ist das so eine Sache. Seit mehr als 100 Jahren geistert, pardon! gaustert er durch das Wiruwaruholz, und noch immer infiziert er Land und Leute mit grausigem Gutz. Niemand wusste dies besser als Christian Morgenstern (1871–1914) und dessen „Galgenbrüder“, er hat jenes unbegreifliche Wesen beschrieben. Heute weiß das keiner besser als der Freundeskreis Bismarkhöhe in Werder, wo jener Richt- und Galgenberg noch immer zu finden ist.

Im Turm des restaurierten Baues gibt es ein sehenswertes Morgenstern-Museum, gegenüber eine Galerie, wo sich schon so mancher Künstler an Flügelflagel, Nasobem und Co. abgearbeitet hat. Manchmal plausterte gar „die rote Fingur“ dabei! Das muss man einfach hinnehmen. Längst ist die galgengruselige Bruderschaft begraben, eine fünfköpfige Künstlergruppe aus Werder hat sich seit 2009 unter dem nicht minder freundlichen Namen „Galgenvögel“ in ihr Erbe gesetzt. Sie taten bereits vieles zusammen, stellten aber noch nie gemeinsam in Werder aus – obwohl das Weltgeschehen, vom Galgen her betrachtet, dies längst fordert. Was das alerte Quintett Herrn Morgenstern und Werders 700. in Form von Druck- und Fotografik zu schulden glaubt, ist derzeit in der Turmgalerie auf der Bismarckhöhe unter Flügelflagels Namen zu sehen. Hoffentlich von vielen, der städtischen Hinweisschilder dort hinan können es gar nicht genug sein! Ein Turm für Hölderlin, ein Turm fürs Galgengevolk!

Der Impuls zum Thema „Flügelflagel“ kam vor zwei Jahren, man einigte sich auf das Gemein- und Einheitsformat 30 mal 30, wobei es, leider, kein Ausbüxen gab: Einer, der aus der Reihen tanzt, ist ja immer ganz besonders augenscheinlich. Dennoch ist der Gruppe ein respektabler Wurf gelungen, künstlerisch bereichernd für jeden der Macher. Für das kunstsinnige Staunvolk (bei Morgenstern „abwägbar bürgerliche Kreise“) von nah und ferne sowieso.

So viele Galgenvögel auf allerengstem Raum in einer sehr ordentlichen Bildergalerie: Galgen-Beauftragter Frank W. Weber hat mit einem uralten Spielzeug-Bau- und Stempelkasten suprematistische Farbdruckgrafik zum Thema Flügelflagel, Werder und Bismarck ins Gespräch gebracht, Malewitsch und Majakowski grüßen mit Freude retour. Man entdeckt Segel, Zäune, Raben und Gewitter im Reich der strengen Geometrie. Ann-Louise Schwieger, Schwedin zwischen Nordland und Havel, hat mit einem Dutzend weltenrunder Farbpaletten „Palmströms Bilder“ Urständ’ feiern lassen. In Öl oder Acryl, manchmal etwas unscharf, aber gut! Gutzige Schwarzweißfotos liefert Andriotta A. Wodak anhand realer Gebilde in der menschengeformten Natur. So hat sie im Park zu Petzow – da gaustert es einem – sogar den Werwolf ablichten können! Senior Günter Ihle nutzt seine elementare Erfahrung im Umgang mit Landschaft und Farbe zu einem graphisch-kalligraphischen Experiment. Wie Grit Rademacher versucht auch er, dem unbegreiflichen, gleichwie real existierendem Flügelflagel mit alten Farblinol- oder Holzschnitttechniken beizukommen.

Alles an dieser kunstbetonten Ausstellung ist exklusiv und sehenswert. Galgisches ist weniger. Eher ein Kotau und Ehrenschmaus für Morgenstern und seine gutmütige Anhängerschar. Für den Kunstsinn der Zeit. Für den Geist der Illustration, was ja alles zusammen nicht schlecht ist. Nur gibt es bei der 41. Ausstellung des Freundeskreises kaum Grenzüberschreitungen á là Galgenlyrik. Schwer tat sich der Golz mit dem Gutzen, das Galgige fehlt. Sind die fünf professionellen Raben und Rabinnen also Herrn Morgenstern gefolgt – oder hatten sie eher den bildungsdurstig-bedürftigen Bürger flagelnd vor Augen? Das eben ist hier der Butz, der gausternde. Gerold Paul

Bis Sonntag täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet, bis zum 25. Mai jeden Sonntag und an Himmelfahrt zur gleichen Zeit

Gerold Paul

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