Potsdam-Mittelmark: Geballte Ladung Kritik
Vier Tage werden die Einwände gegen die Nordumfahrung Güterfelde erörtert / EU-Schutzsiegel für Parforceheide verhindert Trasse im Süden
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Vier Tage werden die Einwände gegen die Nordumfahrung Güterfelde erörtert / EU-Schutzsiegel für Parforceheide verhindert Trasse im Süden Stahnsdorf. „Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt.“ Diese Worte erfahren in Güterfelde buchstäbliche Bedeutung. Wer dort jetzt gegen den geplanten vierspurigen Ausbau der Landestraße 40 seine Einwände nicht verteidigt, muss in Zukunft klagefrei damit leben, dass reichlich Verkehr nördlich des Ortes vorbeirollt. Daher ermunterte der Verwaltungsrechtler Siegfried de Witt am Dienstag über 60 Güterfelder, auf ihre Vorbehalte zu beharren, auch wenn sie in diesen Tagen von Landesbehörden als unbegründet abgetan werden. Seit Dienstag werden in Stahnsdorf alle Einwände und Bedenken erörtert, die gegen den Ausbau des Güterfelder Ecks erhoben wurden. Es sind so viele Einlassungen eingegangen, dass die Anhörung bis Freitag dauert. Der eigentliche Streitpunkt beim millionenteurem Ausbau der L 40 ist die „Güterfelder Nordumfahrung“ – jener Abschnitt, den das Land vor fünf Jahren zum Entsetzen großer Teile der Dorfgemeinschaft als Vorzugsvariante präsentierte, nachdem mit einer Linienführung im Süden ins Planfeststellungsverfahren gegangen worden war. Unter Drohgebärden der Naturschutzverbände, die eine Südumfahrung durch die Parforceheide ablehnten, wurde die Nordumfahrung gewählt. „Handstreichartig“, wie sich Volker Scheps von der Bürgerinitiative „contra Nord“ auch nach fünf Jahren noch erbost. Betrachteten im Süden Naturschützer das Landschaftsschutzgebiet als gefährdet, sahen auf der anderen Seite plötzlich Häuslebauer und Grundstücksbesitzer ihre Lebensqualität bedroht: bis auf weniger als 100 Meter soll die vierspurige Magistrale an Wohnsiedlungen heranrücken. Um ein einzigartiges und schützenswertes Feuchtbiotop – das Harte Fenn – zu überbrücken, wird die Straße mit viel Aufwand und Kosten über das Moor gehoben. „Betrug“ nannte Scheps vor fünf Jahren den Richtungsschwenk des Umweltministeriums. Auch heute leide das Verfahren an dem „Grundübel, dass gemogelt, getrickst und geschoben wird“. Ein Trick sei es, für die Nordumfahrung Tatsachen zu schaffen, indem sich Güterfelde von zwei Seiten genähert wird. Doch während aus Richtung Marggraffshof keine Gefahr drohe, weil an diesem Punkt Optionen für einen anderen Trassenverlauf – im Süden – offen bleiben, gilt das Güterfelder Eck als Zwangspunkt: Wenn dieser Abschnitt realisiert ist, kann es nur noch im Norden Güterfeldes weitergehen. „Daher muss man sich auch gegen die Pläne für diesen Abschnitt zur Wehr setzen“, ermuntert Anwalt de Witt zum Widerstand. Denn wird für die Pläne am Güterfelder Eck Bestandskraft erreicht, wären alle folgenden Schritte und Eingriffe zwangsläufig. Um gegen die Nordumfahrung klagen zu können, „ist es das Mindeste, jetzt die Einwände aufrecht zu erhalten“, sagt de Witt. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen das Planverfahren am Güterfelder Eck seien schwer vorauszusagen. „Größer sind die Chancen gegen die Nordumfahrung.“ Bereits vor Jahren warnte der für die Bürgerinitiative tätige Fachanwalt die märkische Landesregierung aufgrund von „Verfahrensfehlern“ und einer „falschen Gewichtung der Belange“ vor einem hohen rechtlichen Risiko. Inzwischen kommt ein weiteres Argument dazu: Gegenüber den fast 100 Grundstücksbesitzern, über deren Land die Trasse verlaufen soll, muss der Bedarf der Straße nachgewiesen werden. Als deren Planung 1995 in Auftrag gegeben wurde, sprach man von einer schnellen Verbindung zwischen Potsdam und dem Großflughafen Schönefeld, mit dem Güterverteilzentrum in Großbeeren auf der Wegstrecke. Selbst wenn der Flughafen realisiert werde, hält de Witt die prognostizierten Verkehrsmengen für die L 40 und somit deren Dimension und Kosten für fragwürdig. Bereits am Dienstag haben Naturschutzverbände wie die Grüne Liga ihre Vorbehalten gegen den Umbau des Güterfelder Ecks untermauert und die geplante Versiegelung von 41 000 Quadratmeter Natur und Abgrabungen auf einer Fläche von 27 000 Quadratmeter als Raubbau angeprangert. Gestern erfuhr das Vorhaben durch den Vortrag privat Betroffener weitere Einwände. Heute verteidigt die Bürgerinitiative „contra Nord“ ihre kritische Stellungnahme und wird die Frage wiederholen, ob nicht die Südumfahrung doch die bessere Variante wäre. Doch die Chancen stehen schlecht: Nach einem Beschluss des Regierungskabinetts vom vergangenen September hat Brandenburg in Berlin angemeldet, die Parforceheide unter das europäische Schutzsiegel eines Flora-Fauna-Habitat-Gebietes zu stellen. Wird dies in Brüssel positiv beschieden, genießt das weitreichende Waldgebiet strengen Schutz – auch der Süden Güterfeldes. Peter Könnicke
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