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Plädoyer für ein neues Ortsschild. Denn 674 Jahre hieß es Gütergotz und nur 76 Jahre Güterfelde, so Peter Ernst.

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Potsdam-Mittelmark: Geboren in Gütergotz

Peter Ernst will eine Dummheit der Nazis wettmachen – und zum Ortsjubiläum von Güterfelde in diesem Jahr den alten Ortsnamen zurück

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Stahnsdorf - Peter Ernst kämpft für das Überleben seiner Art. Er ist schon einer der Letzten. „Ich bin geborener Gütergotzer“, sagt der weißhaarige Rentner mit der runden Brille. Dass er eines Tages nicht in Gütergotz sterben kann, sondern „diese Angelegenheit im heutigen Güterfelde erledigen soll“, macht den 79-Jährigen unglücklich. Schuld daran ist eine Dummheit der Nazis. Das soll, geht es nach Ernst, nicht so bleiben. Zum 750-jährigen Jubiläum des Stahnsdorfer Ortsteils will Peter Ernst den Namen vom alten Gütergotz zurück.

In seinem Arbeitszimmer öffnet er die Tür zu einem Glasschrank, ein Archiv. Vollgestellt mit alten Büchern, Landkarten, Fotos und Postkarten, geschützt vor dem Staub der Geschichte. „Da ist sie“, sagt Ernst und zieht eine zerfledderte Kopie einer Ortschronik hervor. „Juterjoz, Jutergotz, Gutergotz, auch Jutergatz und Juttergatz, Gutergoz, Gutergatz und später Gütergotz“, trägt Ernst im Eiltempo vor. Er verhaspelt sich nicht. Schon oft hat er die Stelle in der alten Chronik von Pfarrer Brodersen gelesen. Von Güterfelde steht da nichts.

Über 750 Jahre ist es her, dass die Wenden – ein Volk der Westslawen, die vom 7. Jahrhundert an große Teile Nord- und Ostdeutschlands bewohnten – sich im heutigen Güterfelde niederließen. 1263 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt und ist damit älter als Stahnsdorf und Teltow, die erst 2014 und 2015 ihren 750. feiern. „Und jetzt kommt der große Witz“, sagt Ernst und lacht.

Im Jahr 1937 waren es die Nazis, die das uralte Gütergotz in Güterfelde umbenannten. Damit es deutscher klingt. „Die sind rumgegangen und haben geschnüffelt“, sagt Ernst und rümpft die Nase. Das „Volk ohne Raum“ wollte alles Slawische und Wendische loswerden. „Ausmerzen“, sagt Ernst. Das ging daneben.

Die Wenden hatten einst am Güterfelder Haussee ihrem Gott gehuldigt, erzählt Ernst. „Der hieß Jutro.“ Wo heute eine Kleingartenanlage steht, hatten die Wenden einen Opferstein, wo sie den sogenannten „Gott der Morgenröte“ verehrten. Auch die Stadt Jüterbog soll nach ihm benannt sein und eben auch Gütergotz. Doch all das erkannten die Nazis nicht. Statt das „Güter“ am Anfang des Ortsnamens zu streichen, um das Slawische loszuwerden, entfernten sie das „gotz“. „Sie haben den Wendengott nicht entdeckt“, sagt Ernst, verschränkt die Arme vor der Brust und nickt zufrieden.

Weniger zufrieden mit dem Vorschlag ist Dietrich Huckshold. Seit Jahren führt er als Ortsvorsteher die Geschicke des Dorfes. Güterfelde umbenennen? „Ich halte das für überzogen und unrealistisch“, sagt Huckshold. Auch wenn es die Nazis waren, die dem Ort den Namen verpassten und man darüber im Jubiläumsjahr nachdenken könne. „Ich glaube, wenn wir die Güterfelder befragen, gäbe es dafür keine Mehrheit.“ Man lebe eben in einer anderen Zeit.

Wie damals, als die Nazis nicht nur die Macht in Deutschland übernahmen, sondern um 1936 herum auch das Schloss in Gütergotz. 1804 durch den Baumeister David Gilly erbaut, wurden im neuen Güterfelde zu Kriegszeiten über 2000 Soldaten und das Militärorchester stationiert. Der Ortsname war nicht die einzige Veränderung: Damit das Orchester musizieren und marschieren konnte, wurde der schmale Weg zwischen der alten Dorfkirche und dem Pfarramt gepflastert, erzählt Peter Ernst. Noch heute drängelt sich der Verkehr auf diesem Weg durch den Ort.

Die Güterfelder lebten mit den Nazis und von den Nazis, sagt Ernst. „Für die Mädchen war das schon was, wenn die flotten SA-Männer kamen“, erinnert er sich an seine Kindheit. Vor dem Schloss wurde für die Soldaten der Standarte „Feldherrnhalle“ getanzt und Theater gespielt. Rentner Ernst hat dazu Fotos in seinem Archiv. Schauspieler wie Hans Moser fuhren in Cabriolets durch den Ort. „Nach dem Krieg wurde darüber nicht viel gesprochen.“

Die Nazis waren weg, der Ortsname blieb, wenn auch nicht für immer, berichtet Werner Stang. Der Militärhistoriker aus Stahnsdorf hat lange in den Akten des Brandenburgischen Landeshauptarchivs gewühlt, bis er die richtigen aus dem Jahr 1945 gefunden hatte. „Im September, Oktober und November wurde der Ort vom Gemeindevorsteher als auch vom Landratsamt Teltow wieder als Gütergotz bezeichnet“, erklärt Stang. Warum nur für so eine kurze Zeit? Keiner weiß es.

Sicher ist, Gütergotz heißt heute Güterfelde. Ein Phantasiebegriff, sagt Peter Ernst. Genau deshalb feiere das Dorf am 17. und 18. August eben kein rundes Jubiläum, sondern ein krummes Fest. 674 Jahre Gütergotz und 76 Jahre Güterfelde.

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