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Familientreff im Schweizer Haus. Hansjoachim und Micaela Bals haben die Villa am Plessower See auf eigene Kosten umbauen lassen.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Geburtshilfe am Plessower See

Ein Ehepaar hat in einer denkmalgeschützten Werderaner Villa ein neues Familienzentrum eingerichtet

Von Enrico Bellin

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Werder (Havel) - Die oberen Außenwände sind mit dunklem Holz verkleidet, unter dem Dachvorsprung zeichnet sich ein gelb-braunes Balkenmuster ab, die Wände sind dunkel vertäfelt: Schweizer Idylle am Plessower See in Werder. Wo in den 1930er-Jahren illustre Gesellschaften aus Berlin Sommerfeste feierten, können sich heute Schwangere auf die Geburt vorbereiten, junge Eltern Erfahrungen austauschen oder sich Familien zum gemeinsamen Basteln treffen. Hansjoachim und Micaela Bals haben die Villa in den vergangenen drei Jahren zum Familientreff umgebaut, heute vor einer Woche haben sie das Haus als „Katholischer Familientreff Maria am See“ im kleinen Kreis eröffnet. Am morgigen Sonntag gibt es eine große St. Martins-Feier mit Lampionumzug und Lagerfeuer.

„Wir sind Mitglieder der Gemeinde Maria Meeresstern und haben bei unserem Umzug nach Werder festgestellt, dass es dort wenige Jugendliche gibt“, sagt Hansjoachim Bals. Der 77-Jährige war mit seiner Frau vor 13 Jahren von Potsdam an den Plessower See in eine benachbarte Villa gezogen, einst war er Stadtkämmerer in Dorsten (Nordrhein-Westfalen). „Ich habe dann neben dem Gottesdienst schon eine Jugendkirche für Kinder organisiert“, so Micaela Bals. Und schon damals sei der Gedanke gekommen, mehr für Jugendliche und Familien zu tun.

Vor etwa sechs Jahren konnten sie dann die Villa in der Straße am Plessower See, nur wenige Häuser vom Wohnhaus der Bals entfernt, kaufen. Die Villa wurde vom Schweizer Architekten Otto Rudolf Salvisberg bis 1925 im Auftrag des Berliner Unternehmers Otto Kyser als dessen Wochenendhaus geplant und in den 30ern erbaut, später zog Kyser mit seiner Familie komplett nach Werder. Sein Sohn Erich Lehnow, der in Werder die CDU mitbegründet hat, wohnte bis 1948 im Haus. Dann zog die Familie wieder nach Westberlin. Zu DDR-Zeiten diente das Haus dann unter anderem als Unterkunft für Vertriebene. Lehnows Tochter Christine Thon hatte dann Anfang der 90er-Jahre schon einmal die Fassade erneuern lassen.

Thon war es auch, die auf Bitten Bals’ in einem den PNN vorliegenden Brief das Leben im Haus zu Zeiten ihres Großvaters beschrieb. Von ausschweifenden Sommerfesten unter anderem mit befreundeten Theaterleuten aus Berlin, Schriftstellern oder dem Maler Max Pechstein war dort die Rede. „Es wurden Kostümfeste organisiert, Schießbuden aufgestellt, Tanzmusik erklang bis in die bunt erleuchtete Nacht“, beschreibt die Enkelin das Szenario. Auch gebadet wurde an den lauschigen Tagen, schließlich liegt der Plessower See direkt vor dem 4000 Quadratmeter großen Grundstück.

„Da das Haus damit schon immer etwas Besonderes war, soll es nun auch wieder besonders genutzt werden“, erklärt Bals, der bisher eine mittlere sechsstellige Summe in Erwerb und Renovierung des Hauses gesteckt habe. Im Erdgeschoss gibt es nun neben einem Begrüßungsraum einen Raum für Geburtsvorbereitungskurse, dafür hätten sie mit den Denkmalschutzbehörden extra darum gekämpft, die ohnehin überdachte Loggia des Hauses auch als Wintergarten verglasen zu dürfen. Denn die Villa ist verwinkelt und hat nur einen größeren Raum im Obergeschoss, der künftig jedoch als Seminarraum dienen soll. Dafür werde derzeit über die denkmalgerechte Sanierung von Holzpanelen und Fenstern verhandelt.

Fertig sind schon Räume im Dachgeschoss, in denen einmal Seminarbesucher übernachten sollen. Dafür werden noch Spender von Betten gesucht. Bisher wurde das Haus vor allem mit geschenkten Möbeln eingerichtet, so habe etwa das Potsdamer St. Joseph-Krankenhaus eine Küche gespendet. In einem Nebengebäude entsteht derzeit ein Café für Eltern, das im Januar fertig werden soll. Ein kleines Gartenhäuschen dient als Raum für Einzelberatungen, die etwa eine Gynäkologin regelmäßig anbieten will.

Hansjoachim Bals hofft für den dauerhaften Betrieb auch auf Unterstützung von Stadt und Landkreis für sich und die etwa zwölf Mitstreiter der Kirchengemeinde, die das Programm gestalten. Zwar gibt es in Werder ein Familienzentrum des Betreibers Job e.V., für das aber noch Räume gesucht werden und das übergangsweise in einem Seniorenwohnheim untergekommen ist. Angesichts der Größe der Stadt könne Werder Bals zufolge aber zwei Zentren vertragen. Werders 1. Beigeordneter Christian Große (CDU) zufolge wird es jedoch keine finanzielle Unterstützung geben, auch wenn man sich über das private Engagement freue. „Wir waren in Gesprächen, das Familienzentrum und den Jugendclub von Job e.V. in der Villa unterzubringen, doch den Jugendclub wollten die Eigentümer nicht“, so Große. Laut Hansjoachim Bals hätte der Club nicht in die ruhige Gegend am See gepasst. Zunächst wird das Familienzentrum also weiter auf Ehrenamtliche angewiesen sein.

Das Programm im Internet unter

maria-am-see.com

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