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Obsttrester. So lautet die Diagnose des Landesumweltamtes für die absterbende Wiese.

© IG Erholungsort Geltow

Recyclingfirma in Geltow in der Kritik: Gefahr fürs Trinkwasser?

Geltower werfen der Recyclingfirma Richter vor, sich nicht um den Trinkwasser- und Brandschutz zu kümmern. Nach Akteneinsicht fühlen sie sich bestätigt. Doch das Unternehmen versichert, alle Auflagen zu erfüllen.

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Schwielowsee - Die Recyclingfirma Richter in Geltow steht unter verschärfter Beobachtung. In nächster Nachbarschaft stehen Wohnhäuser, Bewohner haben eine „Interessengemeinschaft Erholungsort Geltow“ (IG) gebildet, die jeden Schritt der Firma beobachtet. Schwarzbauten, Staub und Krach zu Unzeiten oder die Nutzung von Privatland als Zufahrt wurden in den vergangenen Jahren dokumentiert. Oft genug musste das Unternehmen sich der Kritik beugen, die PNN berichteten.

Im Herbst sahen IG-Mitglieder, wie eine Flüssigkeit vom Rand des Firmenareals in die Landschaft lief und die Wiese absterben ließ. Die Firma befindet sich in der Trinkwasserschutzzone für das Wasserwerk Wildpark-West. Die Schutzzone war vor einigen Jahren erweitert worden. Das Betriebsgelände bekam Bestandsschutz, neu wäre es nicht genehmigungsfähig. Die Behörden wurden über die Auffälligkeiten informiert, doch die Leute von der IG Geltow bekamen beschwichtigende Antworten. Auch auf eine damalige PNN-Anfrage wurde verneint, dass akute Gefahr besteht. Nach einer Akteneinsicht der Initiative stellt sich das etwas anders dar.

Firma nutzte Flurstück illegal

Der Grundstücksteil am Westrand des Betriebshofs, das komplette Flurstück 243, war, wie sich zeigte, illegal genutzt worden – vielleicht 15 Prozent des gut 20 000 Quadratmeter großen Areals. Die Nutzung war mal beantragt, aber nie genehmigt worden. Per Ordnungsverfügung musste Flurstück 243 im Oktober geräumt werden. Susanne von Dewitz von der Interessengemeinschaft hatte monatelang kämpfen müssen, um per Akteneinsicht die Hintergründe zu erfahren.

Auf der bereits weitgehend zum Landschaftsschutzgebiet gehörenden Teilfläche waren Maschinen und Abfälle gelagert worden. Das Landesumweltamt sprach in der Ordnungsverfügung von einem „begründeten Verdacht“, dass „gefährliche Abfälle“ darunter waren. Es bestehe ein öffentliches Interesse an sofortigem Handeln, vor allem wegen der „offensichtlichen Beeinträchtigungen der festgesetzten Schutzgebiete, insbesondere des Wasserschutzgebietes“. Eine Gefährdung des Trinkwassers, der Nachbarschaft und der Umwelt könne nur durch sofortige Beseitigung ausgeschlossen werden, wie es in der Verfügung weiter heißt.

Obere Bodenschicht musste abgetragen werden

Das hatte zuvor ein Bodengutachten nahegelegt: Schwermetalle, Öl und Schadstoffe wurden nachgewiesen. Für Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe, Phenole und Mineralölkohlenwasserstoffe wollten die Gutachter nicht ausschließen, dass Grenzwerte überschritten werden. Auf eine nochmalige PNN-Anfrage räumte das Landesumweltamt ein, dass die obere Bodenschicht des Flurstücks 243 teilweise abgetragen werden müsse – „aus Gründen der Vorsorge“, so Pressereferent Thomas Frey. Höhere Konzentrationen an schädlichen Stoffen seien ermittelt worden, aber keine Wertüberschreitung der Trinkwasserverordnung.

Ursache der Vegetationsschäden am Grünland sei indessen Sickerwasser aus Obsttrester, der auf dem Gelände zunächst frei lagerte, jetzt aber in Containern. Das klingt moderater als in der Ordnungsverfügung seiner Behörde, in der nicht ausgeschlossen wird, dass „grundwassergefährdende Substanzen freigesetzt wurden“.

Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unternehmens-Verantwortliche

Schaut man sich die Foto-Dokumentationen der IG an oder vor Ort um, liegt nahe, dass die Firma zusätzlichen Platz benötigt. Dicht an dicht lagern Recyclingabfälle auf dem Areal. In der IG Geltow wird seit Langem vermutet, dass Richter mehr als die 55 000 Tonnen Recyclingabfälle sortiert, für die der Betrieb genehmigt ist. Richter-Geschäftsführer Jens Bahnemann hat vor drei Jahren eine Erhöhung auf 69 000 Tonnen beantragt, die Genehmigung steht aus. Doch nicht nur IG-Sprecherin Eleonore Müller vermutet, dass die Menge schon längst umgeschlagen wird.

Offenbar ist das nicht aus der Luft gegriffen: Die Potsdamer Staatsanwaltschaft bestätigte auf PNN-Anfrage, gegen Verantwortliche des Unternehmens zu ermitteln. Es bestehe der Verdacht, dass Abfälle und Mengen auf dem Betriebshof sortiert werden, für die es keine Genehmigung gibt. „Recyclinghöfe sind immer für gewisse Kapazitäten und gewisse Abfallarten zugelassen“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christoph Lange. In Geltow werde mit dem Landesumweltamt geprüft, ob sich die Firma daran hält.

Nicht nur Gefahr für das Trinkwasser

Angezeigt wurde das Unternehmen von Günter Jung von der IG Geltow. Jung wundert sich seit Jahren, wie sorglos Holz- und Plastikreste, Chemiekanister, Schutt und Pappe so nah beieinander in großen Mengen gelagert würden. Die auslaufende und teils auskristallisierte Brühe sei nicht nur Gefahr für das Trinkwasser: „Was ist, wenn dieses ganze Material in dieser Enge brennt?“ Die Brandschutzdienststelle der Bauaufsicht hat Brandschutzverstöße indirekt bestätigt, auch das ist ein Ergebnis der Akteneinsicht.

Bei einer Brandverhütungsschau im Dezember, deren Protokoll die Initiative einsehen konnte, wurden heftige Verstöße festgestellt. Für den Ernstfall stand nicht genug Löschwasser bereit, obwohl das seit Jahren gefordert worden war. Der viel zu kleine Löschwasserteich war nicht mal zugänglich. Für Feuerwehrfahrzeuge gab es auf dem Betriebsgelände zu wenig Flächen, außerdem fehlte der Blitzschutz.

Feuerwehrmann spricht von grober Fahrlässigkeit

Ein seit Jahren geforderter Feuerwehrplan existierte nicht, Hausanschlussräume für Gas, Wasser und Strom waren unzugänglich. Lagerflächen für Recyclingmaterial waren zu groß und nicht durch Sicherheitsabstände oder Wände voneinander abgegrenzt, ein Öllager bekam wegen der Gefahr austretender Gefahrenstoffe ein „mangelhaft“. Ein leitender Feuerwehrmann der Gemeinde, der namentlich nicht genannt werden will, sprach, nachdem er das Protokoll gesichtet hatte, von „grober Fahrlässigkeit“, zumal es sich in vielen Punkten um Auflagen für die Betriebsgenehmigung handele.

Es werde ein „immenses Sicherheitsrisiko“ in Kauf genommen. „So ein Leichtsinn kann im schlimmsten Fall Menschenleben kosten, in erster Linie bei der Belegschaft.“ Auch Nachbarn, Rettungskräfte und Feuerwehrleute sah er gefährdet. Nach Angaben des Landratsamtes sind die Brandschutzmängel inzwischen abgestellt. Eleonore Müller von der IG Geltow meint, dass sich nicht viel verändert habe.

Unternehmen: Auflagen werden eingehalten

Dementgegen versichert auch Richter-Geschäftsführer Bahnemann, dass die Brandschutzauflagen im März abgearbeitet worden seien. Vieles werde von der IG „heißer gekocht, als es gegessen wird“. Bei der Lagerung der Recyclingmaterialien halte er Auflagen und Richtlinien penibel ein, so Bahnemann gegenüber den PNN. Laien fehle das Verständnis, was erlaubt ist und was nicht. Richter nennt als Beispiel die Kritik an offen gelagerten Holzabfällen. Holz der Abfallklassen eins bis drei, dazu gehörten Europaletten oder Fruchtkisten, dürfe offen gelagert werden. In geschlossene Container müsse Holz der Gefahrenklasse vier, wie Fensterrahmen oder Bahnschwellen.

Mit der Staatsanwaltschaft habe er öfter zu tun gehabt, bislang hätten sich alle Vorwürfe in Luft aufgelöst. „55000 Tonnen jährlich sind genehmigt, mehr machen wir in Geltow auch nicht“, sagt Bahnemann. Zwischenzeitlich ist die Firma gewachsen, hat jetzt einen Zweitsitz im Industriegebiet Potsdam-Drewitz und will die Plastiksortierung dorthin auslagern. Auch der Recyclingteil der Potsdamer Baufirma Behnke gehört jetzt zu Richter, inzwischen habe man sogar eine eigene Bauschuttdeponie bei Königs Wusterhausen. Bahnemann will gar nicht ausschließen, den Geltower Standort irgendwann aufzugeben, doch sein Unternehmen gehöre zu den Top 3 in der Branche in Berlin-Brandenburg, sagte er. Man wachse weiter und brauche jetzt alle Flächen.

Bahnemann glaubt, die Interessengemeinschaft kämpft in Wahrheit für Grundstückseigner rund um sein Geltower Firmenareal, die ihr Grünland zu Bauland veredeln wollen und das im Schutzkreis seiner Recyclingschmiede nicht dürfen. Ein Verdacht, dem Eleonore Müller massiv widerspricht. „Wir wollen nichts anderes, als dass sich die Firma Richter an Recht und Gesetz hält.“ Solange sie das nicht tue, halte man die Augen offen.

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