zum Hauptinhalt
Unikate. Die Wartehäuschen wurden im vergangenen Jahr in der Schmiede auf dem Südwestkirchhof restauriert, heute kommen sie zurück an die Straße.

© Alice Bahra

Potsdam-Mittelmark: Gegen das Einerlei

Kienwerder bekommt heute seine einzigartigen Bushaltestellen wieder. Sie wurden nach 20 Jahren restauriert

Von Enrico Bellin

Stand:

Stahnsdorf - Kienwerder bekommt am heutigen Mittwoch nach einem Jahr Abstinenz seine größten Kunstwerke zurück: Die beiden sogenannten Roehl-Buswartehäuschen werden wieder auf ihrem angestammten Platz gegenüber des Wirtschaftseingangs des Südwestkirchhofes aufgestellt.

Die 1991 erstmals aufgestellten Wartehäuser, deren Dächer spitz wie ein Pfeil aus der Ackerlandschaft des Stahnsdorfer Ortsteils ragen, wurden 2013 abgebaut, um sie beim Umbau der Landstraße nicht zu beschädigen und gleichzeitig zu restaurieren. „Im vergangenen Jahr wurden die Häuser komplett auseinandergenommen und restauriert, sie waren ja mehr als 20 Jahre lang dem Wetter ausgesetzt“, sagte Alice Bahra den PNN. Sie ist die Witwe von Christian Roehl – dem Potsdamer Künstler, der die Häuschen einst entwarf.

In die Restaurierung der Kunstwerke investierte die Gemeinde Stahnsdorf rund 41 000 Euro. Die Innenseite der Haltestellen wurde verzinkt, um die Farbe zu schützen. „Von außen sollen die Haltestellen aber wieder rosten“, so Bahra. Das verdeutliche die Verbundenheit mit der Natur.

Ihr Mann hatte die Unterstände 1990 entworfen. „Er wollte damit den typischen Betonwartehäuschen der DDR, die zum Teil gefliest waren und überall gleich aussahen, etwas entgegensetzen“, so Bahra. Gefertigt wurden die Wartehäuschen in der Schmiede des Künstlers auf dem Südwestkirchhof, in der sie nun auch vom Schmied Torsten Theel restauriert wurden.

Der 2013 verstorbene Christian Roehl hatte sich zu Lebzeiten dafür eingesetzt, dass seine Häuser nach dem Umbau der Landstraße, die auf eine Fahrspur pro Richtung verkleinert wurde, wieder aufgestellt werden. In der Gemeinde gab es vorher Diskussionen, statt der aufwändigen Restaurierung standardisierte Wartehäuschen aus Stahl und Glas aufzubauen. Sie seien günstiger und der Wartende könne durch die Glasscheiben hindurch den Bus kommen sehen. „Da die Haltestellen später als Kunstwerke deklariert wurden, sicherte sich mein Mann, dass sie wieder aufgestellt werden“, so die Witwe.

Die Idee für die Haltestellen kam Roehl 1990, sie lagen auf seinem Arbeitsweg in die Schmiede. Er wollte mit ihnen auf den geschichtlich bedeutenden Südwestkirchhof hinweisen, der von der Straße aus durch eine Mauer kaum zu erkennen ist. „Ich wollte die Haltepunkte alternativ gestalten, ohne Reklame für Firmen, dafür als Hinweis auf Kunst und Kultur hier – neben der Straße – in dieser Gemeinde“, betonte Roehl Anfang der 90er. Außerdem solle der Wartende in Regen, Sturm und Sonne das Material in Form, Linie und Konstruktion entdecken. „Zwangsläufig wird der Blick dann auch auf die Landschaft fallen, auf ihre Bewegung und die wechselnde Schönheit“, so der Künstler. Das Ganze sollte geschützt vom damals starken Verkehr auf der Straße geschehen. Das Material wurde zum Großteil von einer Stahlfirma und dem Kulturministerium des Landes gesponsert.

Auch wenn der Verkehr seit der Eröffnung der Ortsumgehung abgenommen hat, haben die Haltestellen viele Bewunderer. Im Zehn-Minuten-Takt halten hier die Busse zwischen Potsdam und Teltow tagsüber, das Einerlei der uniformen Haltestellen wird noch immer in Kienwerder durchbrochen. Nur eines kann man in den Haltestellen derzeit noch nicht: sitzen. Erst in den kommenden Tagen sollen die Sitze bei Restarbeiten wieder montiert werden. Enrico Bellin

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })