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Aus dem GERICHTSSAAL: Geiselnahme angedroht

Angeklagter vermutlich psychisch krank

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Werder (Havel) - Die Zuschauerrreihen im Saal 21 des Amtsgerichts sind – dank einer Schulklasse – bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Anklagebank bleibt leer. Eigentlich wollte das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle am Mittwochvormittag gegen Marinus M.* verhandeln. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 26-Jährigen versuchte räuberische Erpressung vor – ein Verbrechen, das mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet wird.

Der Werderaner soll am 18. Dezember vorigen Jahres bei der Techniker Krankenkasse angerufen und einen Mitarbeiter aufgefordert haben, die gegen ihn betriebenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zurückzunehmen. Ansonsten würde seiner Familie etwas Schlimmes passieren. Am 16. Januar 2014 – so die Anklage – soll Marinus M. per E-Mail erneut den Sachbearbeiter gedroht haben: „Wenn mein Konto nicht entsperrt ist, werde ich Sie töten. Lassen Sie mich frei! Oder ich töte Sie.“ Knapp zwei Wochen später habe er dem Mann in einer weiteren Mail angekündigt: „Sollte mein Konto nicht entsperrt sein, werde ich einen Bankmitarbeiter als Geisel nehmen und einen weiteren erschießen.“

„Der Angeklagte hat angerufen. Er kommt nicht“, klärt ein Justizmitarbeiter die Wartenden auf. So richtig verwundert das weder Richterin Ahle noch Rechtsanwalt Steffen Sauer, seinen Pflichtverteidiger. Marinus M. hatte vor der Verhandlung verworrene E-Mails an die Strafverfolgungsbehörde geschickt. Eigentlich sollte er im Vorfeld des Prozesses von einem Facharzt auf seine Schuldfähigkeit hin untersucht werden. Einen entsprechenden Termin ließ er sausen.

„Es besteht die Vermutung, dass eine psychische Erkrankung in Form einer schizoiden Psychose vorliegt“, erklärt der zur Verhandlung geladene psychiatrische Sachverständige Klaus Simon. Sollte sich dies bestätigen, würde der Angeklagte dringend eine Therapie benötigen. Doch ohne sich einen persönlichen Eindruck von dem Mann zu verschaffen, könne er keine Diagnose stellen. „Ich bezweifle allerdings, dass er sich freiwillig untersuchen lässt. Und er wird wohl auch kaum mit mir reden“, fürchtet der Gutachter.

Laut Paragraf 230 der Strafprozessordnung kann gegen einen Angeklagten, dessen Fehlen bei der Hauptverhandlung nicht genügend entschuldigt ist, Haftbefehl erlassen werden. „Ich stelle einen Antrag auf Haftbefehl“, so die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft. Richterin Reinhild Ahle stimmt dem zu und ergänzt: „In den 40 Minuten, die uns bis zum nächsten Termin bleiben, ist der Angeklagte bestimmt nicht aufzutreiben.“ Die Hauptverhandlung gegen Marinus M. wird ausgesetzt. Nach seiner psychiatrischen Begutachtung wird es eine Neuauflage des Prozesses geben. (*Name geändert) Hoga

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