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Potsdam-Mittelmark: Geltow erweckt einen Mythos

Biwak soll an die erste Station von Schills Husaren an der Havel erinnern

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Von Thomas Lähns

Schwielowsee - Es ist schon dunkel, als am Abend des 28. April über 500 Reiter des 2. Brandenburgischen Husarenregiments durch die Pirschheide nach Geltow kommen. Sie sind am Nachmittag in Berlin aufgebrochen, offiziell zu einer militärischen Übung. Mittlerweile wissen sie, dass sie in den Krieg ziehen. Doch die Männer sind zuversichtlich – und folgen ihrem Kommandeur nicht aus Gehorsam, sondern aus freien Stücken. Der Major reitet an der Spitze: Ein leicht untersetzter Mann mit Schnauzbart und entschlossenem Blick, das zu große Tschapka sitzt leicht schief auf dem Kopf und verleiht ihm etwas keckes. Den Orden „Pour la Mérite“, der über seinem Uniformrock hängt, hatte Friedrich Wilhelm III. ihm persönlich verliehen. Nun widersetzt er sich seinem König – und ist mit den Männern unterwegs in die Geschichtsbücher.

Es war das Jahr 1809: Das Deutsche Reich Römischer Nation war zerschlagen, und wie halb Europa standen auch weite Gebiete Preußens unter französischer Fremdherrschaft. Durch die Katastrophe wurden einerseits zivile und militärische Reformen möglich, andererseits aber wirkte die Schmach der Niederlage fort. Das Militär, seit über hundert Jahren Herzstück des Königreiches, war größtenteils aufgelöst worden, unter den verbliebenen Soldaten gärte es. Major Ferdinand von Schill war der erste, der den Aufstand probte: Vor 200 Jahren zog er mit seinen Husaren los, um überall im Lande die Menschen gegen Napoleon aufzuwiegeln, Truppen auszuheben und die Besatzer zu vertreiben. Daran wird am Wochenende in Geltow erinnert: Mit einem Gedenk-Biwak, an dem Traditionsvereine in historischen Uniformen und die Bundeswehr teilnehmen.

Am Hang des Franzensberges in Baumgartenbrück ließ Schill für die erste Nacht Halt machen. „Der Legende nach stand er hier, an eine Linde gelehnt, und hat die Männer auf sich eingeschworen“, sagt der Historiker Frank Bauer. Er ist Experte in Sachen Befreiungskriege und kennt die Geschichten, die sich um Schill ranken – glauben möchte er sie nicht ohne Weiteres. Der Freikorpsführer war bereits zu Lebzeiten ein Volksheld, und wenn er nur die Hälfte der Verwundungen erlitten hätte, die ihm angedichtet wurden, wäre er mit Sicherheit dreimal gestorben. Fakt ist: Schill lagerte in der Nacht zum 29. April mit seinen Männern in Geltow. Wo heute die B 1 verläuft, träumten junge Soldaten unter freiem Himmel von Freiheit und Ruhm. Die meisten hatten wohl Angst, aber sie setzten ihre Hoffnungen in Schill.

In Geltow wird seit der Wende das Schill’sche Erbe gepflegt: Ein Gedenkstein wurde 1989 am Franzensberg aufgestellt, die in den 70ern vom Blitz zerstörte Schill-Linde hat man ersetzt. Der Stein ist im vergangenen Jahr von der Gemeinde restauriert und die kleine Aussichtsplattform zwischen Berg und Brücke neu hergerichtet worden. Auch eine Schillstraße gibt es mittlerweile im Ort. „Das haben wir euch voraus“, neckt Geltows Ortsvorsteher Heinz Ofcsarik den Potsdamer Historiker Bauer. Seit einem Jahr planen beide an dem bevorstehenden Ereignis und Ofcsarik ist dankbar für die fachliche Unterstützung: „Es ist wichtig, dass diese Veranstaltung inhaltlich getragen wird.“

Bauer sieht sieht sich als Praktiker, der historische Ereignisse erlebbar machen will. Das hat er bereits im vergangenen Jahr in Erfurt gezeigt, als er zum 200-jährigen Jubiläum des Fürstenkongresses eine ähnliche Veranstaltung organisierte: 1000 kostümierte Teilnehmer aus 15 Nationen holten die Geschichte in die Gegenwart. In Geltow erwartet Bauer zirka 100 Darsteller, unter anderem in den Rollen der Militärs Blücher und Gneisenau. Ebenso viele Bundeswehrsoldaten werden ihre Zelte aufschlagen.

Frank Bauer präsentiert bereits heute Abend um 19 Uhr seine neue Broschüre über Schills Zug im Festzelt, das im Brückenpark aufgebaut worden ist. Außerdem hat sich bei ihm ein Nachfahre zweier Teilnehmer dieses Zuges, der Gebrüder von Quistorp, gemeldet. Wernher von Quistorp wird am Freitagabend einen Vortrag über die beiden Offiziere in Schills Diensten halten. Der Sonnabend startet um 9.30 Uhr mit einem Eröffnungsappell und einem Konzert mit dem Luftwaffenmusikkorps der Bundeswehr, ebenfalls im Brückenpark. Um 14.30 Uhr wird es eine Feierstunde am Gedenkstein mit Kranzniederlegung und Salutschüssen geben. Am Sonntag gibt es einen Feldgottesdienst und das ganze Wochenende über Vorführungen der Bundeswehr und der Traditionsvereine sowie Markttreiben.

Am 29. April 1809 überquerte Ferdinand von Schill mit seinen Husaren die die Baumgartenbrücke und zog weiter über Sachsen und die Altmark die Elbe hinauf nach Norden. Für ihn war der letzte Monat seines Lebens angebrochen: In Stralsund wurde er am 31. Mai im Straßenkampf getötet. Der von ihm erhoffte Volksaufstand in Preußen ist ausgeblieben: Allein sein Mythos hat dafür nicht ausgereicht. Für Ehrungen nach 200 Jahren reicht er wohl allemal.

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