KulTOUR: Gemalte Lebensfreude
Bilder und Plastiken von Helga Dobrick in der Dorfkirche Petzow
Stand:
Werder (Havel) - Die einen schaffen aus Profession, andere aus Obsession, wieder andere einfach aus Dankbarkeit, weil ihnen jenseits einer sehr schweren Krise gleichsam ein zweites Leben geschenkt worden ist. Zu ihnen gehört die Werderaner Künstlerin Helga Dobrick. Nachdem sie ihren lange ausgeübten Beruf als Krankenschwester schweren Herzens aufgeben musste, beschloss sie, Kunsttherapeutin und Malerin zu werden.
Wer immer aus einem schwarzen Loch kommt, weiß, warum es ihm nach Bildern, so bunt und vielfältig wie das Leben, gelüstet. Jetzt tritt sie gemäß ihres Leitspruchs, sich weder die Freude am Malen nehmen noch sich auf Stile und Techniken festlegen zu lassen, in der Petzower Kirche mit einem völlig autarken Werk an die Öffentlichkeit. Mag ihre Art auch nicht immer den akademischen Vorgaben entsprechen, so macht dieses Oeuvre aus Bildern, Plastik und Skulpturen doch den Eindruck von Willen, Suche und Experiment.
Und natürlich ist so manches, wie etwa „Mauerblume“, zugleich auch direkte und persönliche Lebensbewältigung. Dass die Wissenschaft der Verstand, die Kunst aber die Seele der Welt sei, steht nicht nur über ihrem Werderaner Atelier, man findet diesen Spruch sinngemäß auch in fast allen Bildern.
Technisch bevorzugt sie Pastellkreiden und Acryl, farbästhetisch vorwiegend Grundfarben in ihrer warmen und kalten Qualität. Das Analytische liegt der 1954 geborenen Künstlerin weniger. Sie arbeitet nach Therapeutenart mehr ausgleichend, was so manchem Bild tatsächlich eine fabelhafte und stimmungsvolle Ruhe verleiht. Blumen- und Genrebilder aus der Natur mit ihren Tag- und Nachtzeiten wollen diesen Ausgleich darstellen.
Dann gibt es etliche Versuche mit ungebranntem Ton und mit Speckstein. Ein „Aufblühen“ etwa zeigt eine stilisierte irdene Blüte, auf einem Birkenstumpf montiert, ein Stein gibt sich „gespalten“, andere sind gerade in einem Gespräch vertieft. Ein dritter Kreis rankt sich um mehr oder weniger abstrakte Form- und Farbexperimente, die zum Teil mit christlichen Themen („ich habe ein liebendes Gottesbild“) verbunden sind. So lässt sie die drei Könige eindrucksvoll tanzen, malt ein herrlich strahlendes Lichtkreuz oder zeigt „Die Versuchung“ als seltsame Innigkeit zwischen Adam, Eva und dem Apfel. Sogar zu „Pfingsten“ findet sie einen bildlichen Ausdruck.
Andere Werke wollen dem Werden, Wachsen und der behutsamen Vermischung reiner Farben auf den Grund kommen. Diese Dipt- und Triptychons zu Rot oder Grün zum Beispiel haben bezeichnenderweise keine Titel. Dass bei solch intensiver Suche auch mal ein Bild nicht so gelingt, gehört wohl dazu, schließlich ist diese farbintensive Ausstellung zuerst Begegnung: mit einem nach Ausgleich strebenden Geist, mit einer Bildkunst, die nach sich selber sucht und Experimente wie Fehler nicht scheut. Mit Farben als mentalen Kraftspendern fürs wiedergewonnene Dasein.
Zielstrebigkeit ist in diesem imperfekten Werk sogar da, wo ein anatomisch genau geformtes Stück Ton („sklerotisiert“) auf das Ende der Werdens und den Beginn des Verfalls hinweist. Sieht so gemalte Lebensfreude aus? Jawohl, aber nicht mit euphorischem Feuer. Eher dankbar-gedämpft und vielleicht auch reiner. Existenzieller. Das zweite, das geschenkte Leben wird immer tiefer und ernsthafter reflektiert als die Zeit vor der Krise. Dergestalt ist gerade diese Ausstellung eine große Herausforderung, aber auch ein großer Gewinn. Gerold Paul
bis 10.2. jeweils Sa. und So. 13 bis 17 Uhr
Gerold Paul
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