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Auf die Erträge kommt es an.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: „Generationenwissen wurde verdrängt“

Dritter Obstbaustammtisch in Groß Kreutz / Hilfsangebot der Obstbauversuchsanstalt Müncheberg

Stand:

Werder (Havel) - Das Werdersche Obstanbaugebiet ist nur noch Flickwerk. Allein in den vergangenen drei Jahren ist die Anbaufläche um 20 Prozent auf 850 Hektar zurückgegangen. In den nächsten Jahren sei mit weiteren Verlusten von 125 Hektar zu rechnen, so Albrecht Feller, Regionalmanagement-Student der „Hochschule für Nachhaltige Entwicklung“ in Eberswalde. Mit vier Kommilitonen hat er eine Studie zum Zustand des Anbaugebietes erstellt (PNN berichteten), gestern wurde sie beim „Obstbaustammtisch“ des „Fördervereins Mittlere Havel“ in Groß Kreutz offiziell vorgestellt. Handlungsempfehlungen an die Obstbauern: zusammenrücken, das Wassermanagement absichern, Zukunftsworkshops abhalten und neben der Direktvermarktung auch dem Großhandel seinen Platz einräumen. Nur so habe der Obstbau eine Zukunft.

Eine etwas andere Lesart präsentierte Hilmar Schwärzel von der Obstbauversuchsanstalt in Müncheberg: Die Ertragssteigerung erklärte er zur Basis jeder Veränderung. Und da sieht er Reserven. So bedauerte der Obstbauexperte die fehlende Sensibilität für gute Obstlagen: Ein hervorragender Standort in Groß Kreutz sei „mit einem Solarpark zugepflastert“ worden, mit der Insel Töplitz sei nach der Wende eine der besten DDR-Obstlagen verlorengegangen. „Generationenwissen wurde verdrängt“, erklärte Schwärzel. Grüne Arbeitsgassen in den Plantagen würden Wildschweine und Mäuse anziehen und die Spätfrostgefahr verstärken. Auch die Bepflanzungen mit Wintergetreide oder Weihnachtsbäumen auf Nachbaranlagen würde dafür sorgen, dass die erwünschte Wärmerückstrahlung der leichten Böden nicht mehr voll wirksam wird. Die Obstflur müsste zudem wieder besser vor Wildschäden geschützt werden.

Schwärzel appellierte an die Obstbauern, sich auf alte Werte zu besinnen: Moderne und unerprobte „Hochleistungssorten“ würden unter den suboptimalen Bedingen im Werderschen Havelland oft „völlig versagen“. „Nutzen sie die vorhandenen genetischen Ressourcen“, so Schwärzel beschwörend. Er regte dazu ein Preisausschreiben unter dem Motto „Wer hat die dicksten Kirschen“ an. Die Versuchsanstalt könnte die Reiser besonders widerstandsfähiger und ertragreicher Obstbäume in Muttergärten vermehren und ihr Fachwissen zu geeigneten Unterlagen einbringen. „Wir können ihnen bieten, was in den nächsten 15 Jahren einen Mann ernährt“, versprach Schwärzel. 25000 bis 40 000 Euro Bruttoumsätze pro Hektar seien drin.

Diskutiert wurde beim Stammtisch auch die Idee einer Modellobstplantage für Forschung und Wissenstransfer, die von der Berliner Gartenbau-Agentur Anega vorgestellt wurde. Allerdings sind Fragen der Finanzierung und des Betriebs noch offen. Zudem wünschen sich einige Obstbauern statt einer weiteren Forschungsstätte neben Müncheberg lieber eine „Musteranlage“ als Ideal einer Plantage. „Die Idee ist zumindest besser als die idiotischen Streuobstwiesen“, sagte Bernd Räuber von der Werder-Frucht Vermarktungsgesellschaft. Die über Jahre geförderten Anlagen sind zur ungeliebten Ungeziefernestern geworden, die Nachbarplantagen mit Schädlingen infizieren.

Ein weiteres Projekt, das am Donnerstag Thema war und bereits in den Startlöchern steckt: Die Werderschen Obstbauern sollen in den Austausch mit der österreichischen Obstbauregion Südburgenland treten. Sie hat sich in den vergangenen 20 Jahren erfolgreich aus einer Krise manövriert, die der hiesigen sehr ähnlich war. Der dritte Obstbaustammtisch war der Durchbruch für dieses Forum: Rund 50 Gäste aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft waren angereist – und immerhin ein gutes Dutzend Obstbauern. Von der Politik hätten sie volle Rückendeckung, so Glindows Ortsvorsteher Sigmar Wilhelm. „Sie sollten ihre eigene Zurückhaltung langsam aufgeben.“

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