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Potsdam-Mittelmark: Gericht drückt aufs Tempo
Beweisaufnahme im Hilpert-Prozess vor dem Abschluss / Politischer Showdown bleibt aus
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Potsdam / Werder (Havel) - Kein politischer Showdown im Potsdamer Landgericht: Im Prozess gegen Hotelier Axel Hilpert wird es keine Vernehmungen von Ministern geben. Die 4. Strafkammer hat am Montag Anträge der Hilpert-Verteidiger abgelehnt, den früheren brandenburgischen Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) sowie Wirtschaftsminister Ralf Christoffers und Finanzminister Helmuth Markov (Linke) ins Kreuzverhör zu nehmen. Auch sieben weitere Beweisanträge der Verteidiger wurden abgewiesen. Richter Andreas Dielitz ließ in der Begründung durchblicken, dass die Kammer nach 21 Verhandlungstagen von einer Schuld Hilperts ausgeht.
Laut Anklage soll sich der frühere KoKo-Mann und Stasi-Mitarbeiter für den Bau des Resorts Schwielowsee eine anteilige Förderung der Landesinvestitionsbank ILB von 9,2 Millionen Euro mit falschen Zahlen erschlichen haben. Für die Kammer scheint das hinlänglich belegt zu sein. Es seien eine Vielzahl von Beweisen erhoben worden, vielen Anregungen der Verteidigung sei gefolgt worden, so Richter Dielitz. Es bedürfe keiner „doppelten Beweiserhebung“. „Auch im Interesse des Angeklagten besteht das Gebot, ein Verfahren in angemessener Zeit durchzuführen.“ Für weitere Beweisanträge setzte er eine Frist bis 23. Mai.
Dielitz hatte zuvor bereits erklärt, dass er am 30. Mai, spätestens am 8. Juni ein Urteil verkünden will. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass Axel Hilpert zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zweieinhalb Jahren verurteilt wird. Die Verteidigung hat für diesen Fall bereits eine Revision angekündigt, der Fall würde dann beim 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Leipzig landen.
Der Vorwurf der Potsdamer Staatsanwaltschaft: Die öffentliche Hand soll nicht nur die Baukosten des Resorts bezuschusst haben, sondern auch Millionengewinne zweier Hilpert-Firmen, aus denen Hilpert auch seinen Eigenanteil von vier Millionen Euro finanzierte. Streitfrage des Prozesses: Waren die beiden Hilpert-Firmen „verbunden“ oder „verflochten“ mit der Theodor Fontane GmbH, die die Subventionen in Empfang nahm, das Resort schlüsselfertig von den Hilpert-Firmen kaufte und an der der 64-Jährige nur zu 24,5 Prozent beteiligt ist? Dann wäre die Gewinnförderung laut Förderbescheid ausgeschlossen gewesen.
Die förderrechtlichen Begriffe „verbunden und verflochten“ wurden von Hilperts Wirtschaftsprüfern und ILB-Zeugen im Prozess unterschiedlich interpretiert, als Öffnungs- oder Ausschlussklausel. Im Entwurf des Förderbescheides war eine der Hilpert-Firmen noch namentlich von der Gewinnförderung ausgeschlossen gewesen. Hilpert will dagegen nicht nur bei der ILB, sondern auch persönlich beim damaligen Wirtschaftsminister Junghanns interveniert und das komplette Projekt infrage gestellt haben. Der Minister habe Hilpert zugesagt, sich für eine moderatere Formulierung einzusetzen, so Hilpert-Anwalt Stefan König. Dementsprechend hätte der gültige Bescheid dann auch interpretiert werden müssen. Richter Dielitz befand, dass ein solcher Einfluss nicht erkennbar sei – und machte so die Lesart der Kammer deutlich.
Wirtschaftsminister Christoffers sollte vernommen werden, weil er dem Landtag im Oktober 2010 vorgeschlagen hat, das bis dahin laxe Förderregime der ILB bei „verflochtenen Unternehmen“ zu verschärfen. Nach der Ablehnung eines ersten Beweisantrages hatten Hilperts Anwälte ein zweites Mal Christoffers Vernehmung beantragt – auch diesmal vergeblich. Finanzminister Markov sollte derweil zu einem entlastenden Gutachten befragt werden, dass sein Ministerium zum Fall Hilpert erstellt hat. „Die rechtliche Würdigung ist Aufgabe des Gerichtes“, kommentierte Richter Dielitz.
Vor dem Urteilsspruch wird die Kammer den Schaden definieren müssen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die komplette ILB-Förderung von 9,2 Millionen Euro zu Unrecht geflossen ist. Anwalt König betonte gestern, dass – selbst wenn es eine Betrugshandlung gegeben haben sollte, was Hilpert bestreitet – der Förderzweck erfüllt worden sei. König zitierte ein BGH-Urteil vom Januar 2006: Der Schaden könne sich demnach nur auf den Anteil belaufen, der vom Subventionsgeber zu viel geleistet wurde.
So oder so dürfte eine Rückforderung der ILB der Theodor Fontane GmbH massive Probleme bereiten: Laut Jahresabschluss 2009 hatte die Deutsche Kreditbank als Finanzierungspartner des Resorts wegen drohender Insolvenz bereits 18,6 Millionen Euro vorerst erlassen, um das Unternehmen zu retten. Der Erlassvertrag wurde im Landgericht am Montag öffentlich verlesen. Bilanzgewinne von über 100 000 Euro fließen demnach bis zur Begleichung aller Schulden zur Hälfte an die DKB.
Davon kann allerdings noch keine Rede sein: Zwar sind die Umsätze des Resorts nach dem Jahr der Finanzkrise von 5,6 auf 6,4 Millionen Euro gestiegen und laut Resortangaben im vorigen Jahr um weitere 500 000 Euro raufgegangen. Dennoch drücken die Schulden: Laut Jahresabschluss 2010 beliefen sich die Verbindlichkeiten auf 29,5 Millionen Euro. Der Jahresfehlbetrag entsprach den Zinsaufwendungen von gut einer Million Euro.
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