Potsdam-Mittelmark: Geschichte auf dem Rückzug
Napoleon entgegen: Vor 200 Jahren marschierten preußische Truppen durch Teltow, nur zu sehen ist davon immer weniger
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Teltow - Wenn Bernd Rieger vor sein grünes Gartentor tritt, steht er auf einem historischen Schatz. Mit einem großen Schritt über eine schwarze Pfütze erreicht Rieger den Boden, von dem aus vor bald 200 Jahren die Schlacht gegen den französischen Kaiser Napoleon entschieden wurde. „Hier wurde Berlin verteidigt“, sagt Rieger und tippt mit einer Schuhspitze auf das Straßenpflaster des Großbeerener Wegs in Teltow, auf dem einst preußische Geschütze rollten. Es ist eine prächtige Allee, sechs Meter breit, mit großen Steinen gepflastert und von zahlreichen kräftigen Linden gesäumt. Eine Allee, von der Rieger sagt, es sei die letzte echte Allee in der Stadt – und bald könnte auch sie verschwunden sein, die Bäume verkümmert und das historische Geläuf verdeckt von schwarzem Asphalt.
Pferde, Soldaten und Kanonen. Am 23. August ist es genau 200 Jahre her, dass Freiherr Friedrich Wilhelm von Bülow seinen Truppen auf dem heutigen Großbeerener Weg eine Verschnaufpause gönnte. Das IV. Preußische Armeekorps sollte sich auf die Schlacht gegen Napoleon vorbereiten. Gegen den Willen seines Oberkommandierenden entschied sich von Bülow zum Angriff. Eine Geschützreihe von 64 Kanonen eröffnete das Feuer. Nicht weit von Riegers Haus entfernt.
„Und heute verschandelt man diese Straße Stück für Stück und das ganz bewusst“, sagt der 44-jährige Teltower. Knapp 800 Meter sind geblieben von dem Weg, der einst die Hilbrecht’sche Windmühle in Teltow an der Mahlower Straße mit Großbeeren verband. Über die Jahre wurde die Straße gekappt, erst wurde ein Flugplatz gebaut und wieder abgerissen. Später kamen eine Bahnstrecke und am Ende auch die Bundesstraße 101 in die Quere. Der Weg ist nur noch eine Nebenstraße und als solche im Straßenausbauprogramm der Stadt aufgeführt.
Wie schon anderen Siedlungsstraßen droht auch dieser Allee bis zum Jahr 2017 der Asphalt, sagt Rieger. Im Jubiläumsjahr der Schlacht hat er deshalb die Bürgerinitiative „Napoleon Allee“ mitgegründet. Gemeinsam wollen Anwohner, einige Stadtverordnete und Historiker für das historische Erinnern an den Großbeerener Weg und den Erhalt der Allee kämpfen. Bislang sei es ihnen jedoch wie den französischen Truppen ergangen, sagt Rieger. Sie haben Niederlagen eingesteckt.
Im Herbst haben an der querenden Richard-Wagner-Straße Ausbauarbeiten begonnen. In diesem Zuge hat die Stadt im Kreuzungsbereich zum Großbeerener Weg Kopfsteinpflaster auf der Länge von 110 Metern abgetragen und durch graues Betonpflaster ersetzen lassen. Zudem wurden die Gehwege im Großbeerener Weg ausgebaut. Mit schwerem Gerät seien die Arbeiter angerückt und hätten sich eine Schneise entlang der bis zu 85 Jahre alten Linden freigegraben und -geschnitten. Mit Folgen.
„Das Rauschen der Linden ist verschwunden“, sagt Rieger. Früher konnte der Maschinenbauer im Frühjahr mit seiner Tochter Tanja auf die Leiter klettern, um Lindenblüten für einen Tee zu pflücken. „Das ist nun wohl vorbei.“ Die Bäume wurden gestutzt, erst in vier bis sechs Metern Höhe zweigen die ersten Äste ab. Rieger fürchtet, die Linden könnten vertrocknen, zumal auch das Wurzelwerk beschädigt worden sei. Einen ganzen Stapel Fotos hat er von den Baumschäden parat und auch schon an die Naturschutzbehörde im Kreis geschickt.
Behördenchef Günther Kehl ist alarmiert. „Wenn es sich bei dem Großbeerener Weg tatsächlich um eine Allee handelt, dürften solche Arbeiten nur unter Ausnahmegenehmigung stattfinden.“ Das schreibe der Paragraph 31 des brandenburgischen Naturschutzgesetzes vor. Er will den Anschuldigungen nachgehen. Habe die Stadt gegen die Auflagen verstoßen, drohe ihr ein Bußgeld, so Kehl.
Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) nimmt seine Bauverwaltung hingegen in Schutz. Die Gehwegsarbeiten seien ordnungsgemäß abgelaufen. Trotzdem wolle auch er prüfen lassen, ob wirklich alles richtig lief. Die Anwohner des Großbeerener Weges habe man tatsächlich nicht über den Tausch des Pflasters informiert. Das sei richtig, sagt Schmidt. Leider. Aber mit der Denkmalschutzbehörde habe man gesprochen. Er wisse auch, dass einige Anwohner sich sehnlichst den Asphalt wünschten. Trotzdem verspricht er, die Straße soll in absehbarer Zeit nicht geteert werden. Zwar sei der Großbeerener Weg im Straßenausbauprogramm der Stadt aufgeführt, doch das Programm sei ohnehin im Verzug. Andere Straßen seien wichtiger, sagt Schmidt.
Also aufatmen bei der Bürgerinitiative? Keineswegs, sagt Bernd Rieger. Getreu dem Bülowschen Motto „nicht rückwärts“ wollen er und seine Mitstreiter noch in diesem Jahr für eine Gedenktafel am Großbeerener Weg kämpfen. Dazu soll ein Historiker beauftragt werden. Zudem wolle man dafür sorgen, dass das vor etwa 85 Jahren verlegte Kopfsteinpflaster wirklich dauerhaft erhalten bleibt. Die gleichen Steine habe man übrigens auch vor dem Gedenkturm in Großbeeren gefunden, sagt Rieger. Dort erinnert bis heute eine Gedenktafel an General von Bülow, der seine Truppen auch durch Teltow schickte, um Berlin vor der drohenden französischen Besetzung zu bewahren.
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