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Potsdam-Mittelmark: Geschichtsunterricht auf „spargelianisch“

Bei der ersten öffentlichen Wahl der Spargelkönigin wurden die drei Bewerberinnen auf Herz und Nieren geprüft

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Bei der ersten öffentlichen Wahl der Spargelkönigin wurden die drei Bewerberinnen auf Herz und Nieren geprüft Von Henry Klix Beelitz. Wie muss eine Spargelkönigin aussehen, was muss sie ausstrahlen, wie muss sie sich geben? Die Frage stellt sich für den Beelitzer „Spargelpapst“ Manfred Schmidt jedes Jahr aufs Neue. Als am Dienstagabend aus drei Bewerberinnen die Königin 2004 gewählt wurde, begab sich der Chef des Spargelvereins, gemeinsam mit vier Spargelbauern aus dem Sander, mit noch größerer Sorgfalt auf Antwortsuche. Denn die völlige Immunität der Hoheiten scheint nicht mehr von allen Untertanen gebilligt zu werden: Die Bildzeitung machte sich Ende Februar ungeniert über die Spargelkönigin 2003, Simone Brucksch, her – mit einem unvorteilhaften Foto mit Spargelstange im Mund und mit Sätzen wie: „Sie blamierte sich bei TV-Auftritten und Interviews und wusste fast nichts von dem Edelgemüse.“ So vergewisserte sich Schmidt in diesem Jahr mit besonderer Sorgfalt, ob die Bewerberinnen dergestalt unmanierlichen Angriffen gewachsen sind. Erstmals fand die Wahlversammlung öffentlich und gemeinsam mit den Bewerberinnen statt: der 26-jährigen Juliane Grube aus Schäpe, der 20-jährigen Janin Gräber aus Beelitz und der 21-jährigen Katrin Jakob aus Wittbrietzen. Die designierten Hoheiten mussten sich im Beelitzer Schwarzen Adler unter kritischen Augen auf Herz und Nieren prüfen lassen. Und manchmal schüttelten selbst die drei Spargelbauern Jacobs, Syring, Buschmann und Hoffmann über Schmidts Fragen skeptisch den Kopf. Wer also wird es werden? Nach einem einführenden Geplänkel um Zubereitung und Garzeit (da waren sich übrigens selbst die Spargelbauern nicht einig) kam es hart auf hart: Wie lange hält so eine Spargelpflanze eigentlich? Janin Gräber zeigte, dass sie als gerade ausgelernte Automobilkauffrau nicht auf den Mund gefallen ist: „Das kommt aufs Wetter an.“ Hielten sie früher länger als heute oder war es umgekehrt, wurde unter den anderen beiden Anwärterinnen diskutiert? Die Fragestellung zumindest war richtig, die Antwort musste Schmidt dann selbst geben: Früher waren die Pflanzen zwar nicht so ertragreich, wurden aber mit 10 Jahren etwa drei Jahre länger gestochen als heute. Seit wann gibt es Spargel aus Beelitz? Das Damentrio lag zwischen 20 und 30 Jahre daneben, immerhin stimmte das Jahrhundert: 1861 war das Jahr, in dem Ackerbürger Karl Friederich Wilhelm Herrmann im Beelitzer Sander die ersten Spargeldämme schüttete. Und wie ist das mit der Herkunft? Aus warmen Gefilden, war sich Juliane Grube, die im sechsten Semester Betriebswirtschaftslehre studiert, sicher. War es vielleicht Griechenland, wurde von den anderen Beiden gefragt? Richtig getippt. „Hippokrates, der auf Kos eine Poliklinik hatte, der hat mit Spargel geheilt“, lautet die Interpretation historischer Fakten des Beelitzer Spargelpapstes. Und wenn dass auf den alten ägyptischen Darstellungen nicht Bambus sondern Spargel ist (,,Für uns ist es natürlich Spargel“), dann ist dass Edelgemüse sogar schon 5000 Jahre alt, so Manfred Schmidt. Geschichtsunterricht auf „spargelianisch“. Die drei Thronanwärterinnen zeigten sich dem flockigen Fragenmarathon, von Schältechniken bis hin zu aromatischen Feinheiten, von Sortenzahl bis Lagerung, jede auf ihre Art gewachsen. Und so fiel der Jury die Auswahl am Ende schwer. Zehn Minuten wurde im Geheimen verhandelt. Kartrin Jakob passte dann offenbar am Besten in das Bild, dass sich die Spargelbauern von ihrer Herrscherin auf Zeit machen: Hübsch, pfiffig und intelligent, frische, jugendliche Ausstrahlung und tief in der Region verwurzelt, lautete das einhellige Urteil. Der Vater stammt aus Alt-Bork, die Mutter aus Wittbrietzen, wo die Familie mit Großeltern und der 18-jährigen Schwester der neuen Queen heute noch wohnt. Dass Katrin Jakob im Posaunenchor der Kirchengemeinde Trompete spielt, passt zum diesjährige Motto der Saison „Spargel und Klassik“. Und es wird der frisch gebackenen Königin nicht zum Schaden gereicht haben, dass die Ernte der drei Reihen Spargel im Gemüsegarten zum Ritual im Jahreskalender der Jakobs gehört, dass sie in der Hochsaison schon in der Elsholzer Lindenschänke gekellnert hat und dass sie das Edelgemüse auch schon selbst an einem Stand in Beelitz verkaufte. Katrin Jakob wird durch Manfred Schmidt am nächsten Wochenende im Spargelmuseum Schlunkendorf in den weiteren Untiefen der Spargelwissenschaft unterwiesen. In den nächsten Wochen wird ihr Kleid geschneidert, vielleicht gibt es zum Saisonstart am 22. April im Beelitzer Spargelhof Nieplitztal sogar eine neue Krone. Die Spargelbauern brauchen indes nicht zu fürchten, dass die flotte Rothaarige dem Medienrummel und möglichen Angriffen der Yellow-Press nicht standhalten kann, wie sie selbst versicherte: Sie macht eine Ausbildung zur Verlagskauffrau - ausgerechnet bei der Axel Springer AG in Berlin. Und – zweite, dicke Ironie des Schicksals – der böse Bildzeitungsartikel hatte sie erst auf den Gedanken gebracht, sich zu bewerben.

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