KulTOUR: Getippelt und gehüpft
Haeckel-Gymnasium zeigt Aristophanes „Vögel“
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KulTOURHaeckel-Gymnasium zeigt Aristophanes „Vögel“ Werder - Man kann sich inzwischen darauf verlassen: Die Inszenierungen von Silvia Marx, Lehrerin am Ernst-Haeckel-Gymnasium in Werder, sind jedes Mal ein Erlebnis. Die Stücke, die sie mit ihren Schülerinnen und (seltener) Schülern des Wahlpflichtkurses Darstellen und Gestalten der 9. Klassen auf die Bühne bringt, mögen sich hinsichtlich ihrer Vorgaben und Thematik sehr unterscheiden, sie mögen ein klassisches Bühnenstück sein wie Shakespeares Sommernachtstraum vor zwei Jahren oder selbst geschriebene Szenen – gemeinsam ist ihnen die kraftvolle Bildersprache, die sich mischt mit bewusst eingesetzter musikalischer Form, mit Licht und mit dem Raum. Und nicht zuletzt sind es die Jugendlichen selbst, die sich unter der Führung von Silvia Marx auf ein Experiment mit sich selbst eingelassen haben und im Spiel Begrenztheiten überschreiten. So wurde denn auch die diesjährige Premiere zu Recht vom Publikum bejubelt. Es gab einen „alten Griechen“ in leicht bearbeiteter Form, Aristophanes: Die Vögel. Im großen Saal des Kunsthofs Glindow erstreckte sich die bespielte Fläche durch die gesamte Saallänge von der Eingangstür bis zur gegenüberliegenden Bühne, das Publikum saß dicht an dicht zu beiden Seiten und quetschte sich sogar auf den Tischen in einer nicht vorgesehenen letzten Reihe. Auf großen Holzwürfeln versammelte sich der klassische griechische Chor – die Vögel – um von Gott und der Welt zu künden: „Am Anfang waren nur Chaos und Nacht “ und von der besonderen Bedeutung der Vögel, nämlich „die Schönheit der Welt zu künden“. Große Worte, sarkastisch kommentiert von einem gleichzeitig projizierten Film, der in der Tat ganz besondere Schönheiten unserer Welt zeigte, Bombenexplosionen, Häusersprengungen, Obdachlose. Auch für Aristophanes ist die gute alte Zeit schon lange vorbei, und er lässt zwei Menschen, in dieser Inszenierung zwei Aussteigerinnen, Agatha und ihre Freundin, die Welt der Vögel aufsuchen und mit ihnen eine neue Stadt gründen, das Wolkenkuckucksheim. Agatha entwickelt sich dort zur Diktatorin – Sonderabgaben, Krieg und sogar ein Mauerbau illustrieren ihre Herrschaft – allerdings sind die Götter unzufrieden, weil ihnen nicht mehr geopfert wird. Am Ende wird Agatha verhaftet und abgeführt. Der Vogelchor ist in dieser Aufführung das Ereignis schlechthin, kostümiert mit allem, was Verkleidekoffer, Haushalt und Geräteschuppen hergeben, vom Goldlametta auf dem Kopf bis zum Rettungsring im Reifrock und der Frischhaltefolie überm Flügel. Da wird stolziert, getippelt, gewatschelt und gehüpft, eine Multikulti-Gesellschaft von Vogelindividuen, von denen jedes auf jede erdenkliche Weise piepst und gackert, quiekt und kreischt ...; eine sorgfältige Neu-Inszenierung der doch neulich erst überwundenen Giggelphase der Vogeldarstellerinnen (?). Wie dem auch sei, in der Pause ließ sich eine Wandzeitung mit Fotos und Personenbeschreibungen der jungen Schauspielerinnen studieren, und so manche hatte als Begründung für ihr Engagement im Kurs Darstellen sinngemäß geschrieben: ... weil es mit mir zu tun hat, weil ich mich als Person einbringen kann. Diese Bereitwilligkeit hat Silvia Marx nutzen können und ihre Schülerinnen (und den einen Schüler, dem Trend entgegen in einer Frauenrolle, interessant) mit intensiver Körperarbeit und Improvisationstechniken zu einer gelungenen Aufführung gebracht. Das Publikum dankte es mit gebührendem Applaus. Die Kursleiterin bekam Blumen, die Schauspieler – wie passend – Federn.
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