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Von Tobias Reichelt: Getrieben wie ein „Wildschwein“

Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers ist im Visier der Opposition: Ärger über „Maulkorberlass“

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Stahnsdorf - „Ich fühle mich getrieben wie ein Wildschwein“, sagt Bernd Albers und atmet tief durch. Nach zwei Jahren im Amt ist der Stahnsdorfer Bürgermeister der Wählergruppe „Bürger für Bürger“ endgültig im Politikalltag seiner Kommune angekommen. Schon vor Monaten habe ihm der politische Gegner versprochen, ihn zu jagen und zu treiben, knurrt Albers. Und nun, da die ersten Haare des 41 Jahre alten politischen Quereinsteigers grau werden, macht die „Opposition“ ernst und ruft zum großen Halali: Sie wirft Bürgermeister Albers „stasiähnliche Methoden“ vor.

CDU-Chef Claus-Peter Martensen ist wild vor Wut. Ein „Maulkorberlass“ des Bürgermeisters an seine Verwaltungsmitarbeiter beschneide das Recht der Gemeindevertreter und Ortsvorsteher auf freien Zugang zu Informationen im Rathaus. „Das lassen wir uns nicht bieten“, bellt Martensen. Hatten die gewählten Politiker sonst freien Zugang zum Rathaus, müssten sie sich nun zuerst im Sekretariat des Bürgermeisters anmelden, bevor sie Informationen zu Beschlussvorlagen, Bebauungsplänen usw. bekommen – Martensen fühlt sich überwacht. „Das ist ein unglaublicher Zustand, da hört der Spaß auf“, klagt er. Zumal das System Albers nicht funktioniere: Schon drei Mal habe er umsonst beim Bürgermeister angerufen. Albers war nicht da, der Zugang zu den Informationen blieb verwehrt.

Auch Schenkenhorsts Ortsvorsteherin Karin Steingräber (Wir Vier) hat Albers im Visier: „Das Ganze erinnert mich an finstere Zeiten, die 20 Jahre zurückliegen.“ Eigentlich sollten Ortsvorsteher dem Bürgermeister Arbeit abnehmen, aber das sei derzeit nicht möglich. Der „kurze Dienstweg“ sei neuerdings versperrt. Auch ihr Güterfelder Kollege Dietrich Huckshold (Wir Vier) schießt aus allen Rohren: „Wir sind doch keine dummen Jungs.“ Dass im Rathaus noch jemand mit ihm rede, sei seit dem „Maulkorberlass“ die Ausnahme. Huckshold – auch privat jagdsportlich interessiert – will nun alle Fraktionsvorsitzenden zusammenrufen. „So kann es nicht weitergehen“, sagt er: „Der Bürgermeister muss mit der Angst leben, dass jemand etwas sagt oder herausfindet, das ihm nicht gefällt.“

Albers ist indes mit seinem Jägerlatein am Ende. Er habe es gut gemeint. „Es ist hilfreich zu wissen, was die Gemeindevertreter bewegt und mit ihnen darüber zu sprechen“, verteidigt der Bürgermeister seine „Dienstvereinbarung“. Die sei im Übrigen fast deckungsgleich mit der in Teltow. Und auch unter seinem Vorgänger habe es die schon gegeben. Er habe sie lediglich präzisiert und den Zugang zu Informationen im Rathaus eindeutig regeln wollen. „Alle bekommen ihre Infos, in der Praxis ist das unproblematisch“, sagt Albers. Nach einem Anruf in seinem Sekretariat oder bei ihm würden Gemeindevertreter oder Ortsvorsteher in die Fachbereiche weiter verbunden. „Das ist doch kein Problem.“ Sogar mit Ortsvorsteher Huckshold habe er auf diesem Weg bereits mehrere „nette“ Gespräche geführt, sagt Albers. Das hat gut geklappt, berichtet er. „Wir konnten ihm Hilfe anbieten.“

Schon seit Beginn seiner Amtszeit vor zwei Jahren ist Albers unter Beschuss der Opposition: Für das neue Gymnasium habe er den falschen Platz gefunden. Seine Stahnsdorfer S-Bahn-Trasse mit Radweg sei ein Fabel-Projekt, Geld für Wohltaten ist nicht da, auch die CDU-Bauamtschefin habe er zu Unrecht entlassen und die Kämmerin vergrault.

Immerhin: So verbunden sich Albers derzeit mit den Wildschweinen fühlt, die Wildschweinplage hat er angepackt. Gut 100 Tiere wurden in diesem Jahr geschossen – nicht von der Opposition, sondern von den Jägern im Stahnsdorfer Revier.

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