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Von Henry Klix: Gleis-Marsch kann jetzt teuer werden

Abreisechaos auf dem Werderaner Bahnhof am 1. Mai ausgewertet / Insgesamt ziehen Veranstalter eine postive Blütenfest-Bilanz

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Werder (Havel) - Die acht Rowdies, die am 1. Mai des Baumblütenfestes auf den Bahnschienen liefen und ein Abreisechaos ausgelöst hatten, müssen womöglich für die Kosten des Einsatzes der Sicherheits- und Rettungskräfte aufkommen. „Das wird derzeit geprüft, wir wollen es nicht bei einem Ordnungswidrigkeitsverfahren belassen“, sagte Stefan Jäger von der Bundespolizeidirektion Berlin-Ostbahnhof in der Auswertungsrunde des Baumblütenfestes am Mittwochabend in Werder. „Wer auf den Schienen rumspaziert, muss damit rechnen, dass Ansprüche geltend gemacht werden“, so Jäger. Bei der Suche nach den Nachtwanderern war ein Hubschrauber mit Wärmelichtkamera zum Einsatz gekommen. In Werder lösten Feuerwehr und Rettungskräfte Alarmstufe Eins aus, nachdem sich am Bahnhof ein Chaos abzeichnete und die Sanitäter in kürzester Zeit zu 17 Patienten gerufen wurden.

Schon wenn der Gleis-Marsch nur als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird, müssen die Schienenwanderer mit bis zu 50 000 Euro Bußgeld rechnen. Die sieben Männer und eine Frau zwischen 19 bis 26 Jahren hatten am vorletzten Festtag in zwei Grüppchen versucht, über die Gleise in Richtung Berlin zu laufen. Ein Lokführer meldete sie, die Bahn stellte den Zugverkehr für 85 Minuten ein. Auf dem Werderaner Bahnhofsvorplatz drängten sich ab 21.32 Uhr rund 10 000 Menschen, 100 Wartende erlitten Unterkühlungen, dehydrierten oder bekamen Kreislaufprobleme, elf kamen ins Krankenhaus. Die Wartenden hätten meist besonnen reagiert, zu den Gesundheitsproblemen sei es wegen der leichten Bekleidung, dem Alkoholpegel und dem einsetzenden Regen gekommen, sagte Bürgermeister Werner Große.

„Gott sei Dank ist im gesamten Festverlauf nichts schwerwiegendes passiert“, so Große. „Es gab keine Schwerverletzten und das Zusammenwirken aller Beteiligten hat gut funktioniert.“ So zogen die Veranstalter am Mittwochabend auch ein insgesamt positives Fazit des 131. Blütenfestes. Die Stadt hatte mit einem neuen Konzept versucht, die Inselstadt zu entlasten und den Hohen Weg noch stärker ins Festgeschehen einzubeziehen. Vom Bahnhof aus wurden die Leute angehalten, den Weg über die Friedrichs- und Bismarckhöhe zur City zu nehmen. „Alle Beteiligten haben bestätigt, dass das gut funktioniert hat“, sagte Werders 1. Beigeordneter Hartmut Schröder. Der Hohe Weg sei „durchweg gut frequentiert“ gewesen. Allerdings beschwerten sich nunmehr Buden-Händler auf der Inselstadt und der Eisenbahnstraße, dass zum Teil nur 70 Euro Tagesumsatz erzielt wurde.

Kritik gab es vom Markenverband Havelland-Werder, weil immer mehr auswärtiger Wein beim Blütenfest verkauft werde. „Es gibt genügend Firmen in Werder, die den Bedarf decken können“, sagte Verbandschefin Christine Berger, die in der Auswertungsrunde auch das Livemusikprogramm des Festes ins Visier nahm: Konzerthöhepunkte sollte es nicht nur an Wochenenden geben, die Jugend sollte als wichtige Zielgruppe nicht aus dem Blick geraten. „Wir müssen darauf achten, aktuell zu bleiben und nicht den Anschluss zu verlieren“, sagte Berger. „Und auch die Generation 50 Plus will ja nicht nur Blasmusik hören.“

Die Polizei war bei diesem Fest sehr präsent: Andreas Backhoff vom Polizeischutzbereich Brandenburg erklärte, dass im neuntägigen Festverlauf mit 338 Straftaten deutlich mehr als beim 130. Fest (223) registriert wurden. Es gab auch mehr Platzverweise (274) und Gewahrsamnahmen (193). „Die Menschen waren besser verteilt, der Einsatzort entzerrt“, so Backhoff. Deshalb hätten sich die Polizeikräfte „besser entfalten und bei Störungen frühzeitiger einschreiten“ können. Große Schlägereien wie im vergangenen Jahr seien ausgeblieben. Am 1. Mai musste die Inselbrücke allerdings kurzzeitig gesperrt werden, als ein Güllefahrzeug den Weg verstopfte. Es war unterwegs zu den Toilettenwagen. Im Mobilfunknetz war es im Festverlauf zu massiven Störungen gekommen, allerdings hielt ein Großteil der eingesetzten Kräfte den Kontakt ohnehin per Digitalfunk aufrecht.

Auf der Bahnstrecke nach Berlin hat sich die Zahl der Straftaten laut Bundespolizei auf 327 mehr als verdoppelt. Meist wurden Körperverletzungen, Beleidigungen oder Sachbeschädigungen aufgenommen. Allein am 1. Mai beruhigten die „Antikonfliktteams“ der Bundespolizei in 80 Gesprächen erfolgreich die Lage.

Der Rettungsdienst musste in Werder mit 200 Patienten wiederum deutlich weniger ins Krankenhaus bringen als im vergangenen Jahr, der Sanitätsdienst leistete in 610 Fällen Hilfe. Die Stimmung sei weniger aggressiv als beim 130. Fest gewesen, als selbst Sanitäter von Betrunkenen angegriffen wurden, sagte Knut Schellhorn von den Maltesern. Allerdings kam es zu zweieinhalbstündigen Verspätungen beim Festumzug zum Eröffnungstag, als betrunkene Chaoten die Umzugsteilnehmer im Bereich der Post am Weitergehen hinderten und anpöbelten.

Entlang des Obstpanoramaweges feierten 13 Anbieter ausgelassen und fröhlich mit ihren Gästen unter blühenden Kirschbäumen. „Meinetwegen können wir das ganze Fest dorthin verlagern“, sagte Walter Kassin vom Obst- und Gartenbauverein.

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