
© A. Klaer
24 Stunden Potsdam-Havelland Wanderung: Glücksgefühle nach Schmerzen
47 Wanderer sind hundert Kilometer durch das Havelland gewandert, über Werder und Klaistow bis in die Kulturlandschaft Potsdam. Allerdings haben nicht alle Wanderer, die gestartet waren, durchgehalten.
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Werder (Havel)/ Schwielowsee - Der Wietkiekenberg bei Ferch war die Hölle. Darin sind sich die 47 Wanderer einig, die am Sonntagmorgen kurz nach neun Uhr in Caputh eintreffen, nachdem sie hundert Kilometer durch das Havelland über Werder bis Klaistow und die Kulturlandschaft Potsdam gewandert sind. Sie werden wie Helden beklatscht und bejubelt von einer Schar Frühaufstehern und Bürgermeisterin Kerstin Hoppe. Einen Tag zuvor, am Samstagmorgen um neun Uhr waren 67 Teilnehmer aufgebrochen zur „24 Stunden Potsdam-Havelland Wanderung“.
Die Wanderer die durchgehalten haben, laufen nun im Marschblock die Straße hinunter, viele noch mit federnden Schritten. Doch schon Minuten später, hinter der Ziellinie, hinken einige bereits. Die Anstrengungen der letzten Stunden sind den meisten ins Gesicht geschrieben . „Es tut alles weh“, klagt eine Frau, aber sie lacht dabei, denn zu den Schmerzen gesellt sich am Schluss auch ein Glücksgefühl. Ohne Blessuren geht es nicht, meint Martin Middendorf aus Dallgow. Er ist das erste Mal bei einer solch langen Wanderung dabei, weiß aber als Marathonläufer, dass Extremtouren zu den eigenen Grenzen führen. „Wir haben uns unterwegs gegenseitig motiviert“, erzählt er und ihm habe auch der Gedanke an seine Familie geholfen, weiter zu machen. „Der Schweinehund hat bei ihm keine Chance!“, sagt stolz seine Frau Natalia, die mit dem Sohn auf ihn gewartet hat.
Der Wietkiekenberg als finaler Härtetest
Blasen haben fast alle an den Füßen, auch Schmerzen im Rücken sind in den letzten Stunden zu einem gemeinschaftlichen Leiden geworden. „Dieser Hügel, den sie uns da noch hingesetzt haben am Schluss, das war der finale Härtetest“, meint Ralf Malinka aus Frankfurt/Oder, während er einen Pappbecher mit Kaffee in seinen Händen dreht. Rund 125 Meter erhebt sich der Wietkiekenberg über den Meeresspiegel. Aber es sei nicht allein die Steigung gewesen, schildert der junge Mann. Ihm habe vor allem der Schotter unter den Sohlen zu schaffen gemacht. „Am Schluss haben meine Füße so gebrannt, dass ich auf den letzten Kilometern jede Nacktschnecke unterm Schuh gespürt habe“.
Mit zehn Freunden war Ralf Malinka zur Wanderung angetreten, fünf schafften es bis ins Ziel. Kennengelernt hatten sich die Zehn über Facebook und bei verschiedenen sportlichen Events getroffen. Ricarda Alt, eine Berlinerin gehört dazu und gesteht am Ende der Wanderung: „Ralf, du hast mich gerade im richtigen Moment angesprochen, sonst hätte ich wohl nicht durchgehalten“. Das Gespräch mit ihm habe sie so abgelenkt, dass Müdigkeit und Schmerz den Gedanken an Aufgeben bald wegwischten. Das war rund 20 Kilometer vor dem Ziel. Auch die elf Stunden Dunkelheit setzten vielen zu, vor allem psychisch. Eine dieser Nachtstrecken führte sechs Kilometer durch einen Wald, immer geradeaus. „Da braucht man etwas, um sich abzulenken“, sagt Malinka und zeigt auf seine Kopfhörer: „manchmal hilft auch Musik“.
Kampf gegen die Müdigkeit
Zwei Tage vor Neumond war ringsum alles tintenschwarz gewesen. Nur der Himmel zeigte sich sternenklar und mit ihren Stirnlampen warf die Gruppe kleine Lichtkegel in die Nacht: ein Trupp Glühwürmchen auf Exkursion. Doch auch wenn erste Sonnenstrahlen nach durchwanderter Nacht durchs Blätterdach der Bäume schimmern, wird Laufen für manche zum Problem, müssen sie gegen Müdigkeit ankämpfen und denken sogar ans Aufhören. Das sind die Momente, in denen man an die eigenen Grenzen stößt, weiß Karl-Heinz Friedrich vom Organisationsteam. Während seine Frau Petra Rauschenbach als Wanderwart auf der großen Strecke ist, hält er die Fäden in der Hand und ist wie sie auch 24 Stunden auf den Beinen; fährt nachts den Shuttlebus, der die Teilnehmer transportiert, die aufgegeben haben und sorgt für Verpflegung.
Als die Wanderer nach Mitternacht bei Bliesendorf eine Pause einlegen, achten sie auch darauf, dass Einwohner nicht in ihrer Nachtruhe gestört werden und rasten daher am Waldrand. Bis ins Kleinste sei die Organisation perfekt gewesen, lobten viele Teilnehmer am Ende der Wanderung. Schon am Freitag und Samstag war der organisatorische Aufwand riesig und die Helfer unermüdlich im Einsatz, darunter auch die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Caputh. Außer der 100-Kilometer Strecke gab es am Samstag noch drei weitere Alternativstrecken über die Distanz von 10, 25 und 50 Kilometern zu betreuen. Denn es sollten nicht nur trainierte Wanderer angelockt werden, sondern auch Lust auf Schusters Rappen und Neugier auf die Region geweckt werden.
Kerstin Hoppe: „Zu Fuß nimmt man Dinge ganz anders wahr und sieht mehr“
Begeistern ließ sich so auch die Caputherin Hannelore Rosenberg von der Tour über 25 Kilometer rund um den Schwielowsee: „Ich bin zwar über meine Treppen heute Morgen eher geschlichen, aber trotzdem froh dabei gewesen zu sein“. Für diese Tour gab es rund 70 Anmeldungen und Wanderwart Stefan Hercher habe viel Interessantes erzählt. Ebenso begeisterten sich viele für die Landschaft und die Sehenswürdigkeiten. „Zu Fuß nimmt man Dinge ganz anders wahr und sieht mehr“, sagte Bürgermeisterin Kerstin Hoppe, die die Hälfte der Strecke mitlief.
Kirsten Graulich
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