
© Eva Schmid
Potsdam-Mittelmark: Grasgeflüster in Saarmund
Hermann Kühne gehört zu Deutschlands größten Chinaschilf-Sammlern
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Nuthetal - Hermann Kühne steht inmitten von Gräsern. Seinen Gräsern. Vorsichtig fährt er mit den Fingern durch die hohen Halme. Die grün, gelblichen Gewächse haben eine feine Struktur und wiegen sich elegant beim kleinsten Windhauch hin und her. Wenn der Gärtner aus Saarmund bei seinen Gräsern ist, dann ist er in seinem Element. Gerade im nahenden Winter sind sie oft der einzige Schmuck eines Gartens, selbst wenn ihre Pracht verblüht ist.
Der 72-jährige Gärtner ist ein Sammler: Über 100 Sorten der sogenannten Miscanthus, also Stielblütengras, hat er auf mehreren Feldern seines 35 000 Quadratmeter großen Gartens. Mehrere Goldmedaillen heimste er für seine schönen Gräser auf Bundesgartenschauen und Internationalen Gartenschauen bereits ein. Auch in diesem Jahr hat er die Juroren überzeugt.
Er gehört in Deutschland zu den Sammlern mit dem größten Gräserbestand. Neuheiten zu züchten, sei ihm zu viel Arbeit. „Aber manchmal vermischt sich eben doch was auf dem Feld miteinander.“ Nur ein kurzer Blick gewährt er seinen Besuchern in den Raum mit all seinen Goldmedaillen. „Wissen Sie, ich sammle auch Briefmarken“, sagt er bescheiden.
Viele seiner Gräser gehören zur Miscanthus sinensis, besser bekannt als Chinaschilf. Die Gräserart stammt aus Ostasien. Dort wächst sie auf Berghängen und an den Küsten. Früher wurde das Chinaschilf als Rohstoff für Matten und zum Flechten von Sicht- und Windschutz genutzt. Heute haben die Pflanzen Züchter und Sammler auf der ganzen Welt entdeckt. Neuheiten, wie der Saaarmunder Gärtner fast noch unbekannte Sorten nennt, würde er über einen Kontakt aus Polen, England und Amerika bekommen.
„Das ist der Rote Oktober“, sagt Hermann Kühn und beugt sich herunter zu mehreren kleinen Sträuchern, die bis zur Wade reichen und deren Blätter rötlich gefärbt sind. Daneben steht das Feinhalm Chinaschilf, ein paar Gräser weiter Pünktchen oder Stachelschwein, auf dessen grünen Blätter helle Streifen sind. Irgendwann kommt Kühne auf seinem weitläufigen Gelände bei einem einzelnen Grashalm an, der fast drei Meter in die Höhe ragt. Eine Besonderheit, ja, aber wie war doch gleich der Name. Um nicht den Überblick zu verlieren, hat der Gärtner oft Namenstafeln in die Erde gesteckt. „Aber die reißt der Fuchs leider allzu gerne raus“, sagt er entschuldigend.
Angefangen hat das mit den Gräsern so richtig, seitdem er im Ruhestand ist. Früher hatte er mit seiner Frau eine Gärtnerei in Berlin-Britz. Anfang der 90er Jahre ging es raus aufs Land, nach Saarmund. Damals hatte er schon einige Gräser und Stauden – die gehören ins feste Repertoire jeder Gärtnerei. Im Alter hat er an ihnen immer mehr Gefallen gefunden. Vom Ruhestand ist seither nicht viel zu spüren. Er ist viel unterwegs in Deutschland und hat ein ehrgeiziges Projekt: Er will seine Gräser erfassen und beschreiben.
„Wenn ich eine Sorte von fünf verschiedenen Firmen bestelle, ist da mindestens eine dabei, die nicht der richtigen Sorte entspricht“, so Hermann Kühne. Bisher gebe es zu wenig detaillierte Literatur, die genaue Beschreibungen der Gräsersorten umfasse. Doch für sein Vorhaben brauche man einen langen Atem: „Unterschiede erkennt man erst richtig, wenn die Gräser groß sind, also sechs bis acht Jahre alt.“
Behutsam deckt Hermann Kühne seine Gräser jetzt für den Winter ab. Der Gärtner möchte verhindern, dass sie ausfrieren. Immerhin sind es seine Lieblinge. Eine Sorte, die er besonders mag, gibt es nicht. „Alle gefallen sie mir, da gibt es keine Ausnahmen.“ Am meisten begeistert ihn die Farbenpracht. Wenn sie Ende des Sommers blühen, schimmert es auf seinen Feldern in Gelb-, Orange-, Rosa- und Rottönen. „Das sind richtig leuchtende Farben.“
Die Schönheit seiner Gräser ist für ihn schwer in Worte zu fassen. Da hilft der Potsdamer Staudengärtner und Gartenphilosoph Karl Foerster (1874-1970): Die Gräser „bringen ein solch geheimnisvolles Zusammenwirken mit pflanzlicher Nachbarschaft zustande, dass es bei ihrer Wegnahme scheint, als sei einem Orchester der Dirigent genommen worden.“ Eva Schmid
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