zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Grenzen, die der Gast nicht sieht

Berliner Studenten analysieren touristische Potenziale Michendorfs / Bürgerbefragung endet Dienstag

Stand:

Michendorf - Freundliche Einwohner, reich gedeckte Tische in gepflegten Restaurants und eine malerische Landschaft, die zum Wandern, Radeln und Reiten einlädt: Die Gemeinde Michendorf hat dem Städter einiges zu bieten, wenn er sich auf der Suche nach Ruhe und Erholung ins Umland zurückzieht. Damit geworben wird kaum, der Fremdenverkehr zwischen Ravensbergen und dem Naturpark Nuthe-Nieplitz steckt bis auf wenige Schlaglichter noch in den Kinderschuhen. Zu dieser Einschätzung sind jetzt Studenten der Berliner Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) gekommen. Im September waren sie in Michendorf unterwegs, haben es durch die Augen des Gastes betrachtet und die touristischen Potenziale der Region ausgewertet. Am Donnerstag präsentierten sie ihre Ergebnisse in Form einer „Image-Analyse“.

Projektleiterin Corinna Kirchner, Lehrbeauftragte für Tourismusberatung an der FHW, hat in den vergangenen Jahren bereits mit anderen Seminargruppen solche Analysen für Werder (Havel) und Schwielowsee erstellt, dort auch Vorlagen für die Befragung von Gästen erarbeitet. In Michendorf ist man noch in einem früheren Stadium, deshalb sind die Studenten zweigleisig vorgegangen: Neben der Image-Analyse werden zurzeit die Einwohner befragt, ob sie den Tourismus in ihrer Gemeinde überhaupt wünschen. Weitere Fragen zielen auf die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung sowie die Zufriedenheit mit dem Leben in Michendorf ab. Noch bis Dienstag können die Fragebögen in der Verwaltung abgeholt oder im Internet heruntergeladen und beantwortet werden, 200 Rückmeldungen gibt es bereits. Am Ende der Bürgerbefragung soll ein Leitbild für die künftige, vielleicht auch touristische, Entwicklung der Gemeinde erarbeitet werden – so wie es seit langem von Bürgermeisterin Cornelia Jung gefordert wird.

„Bei der Befragung geht es auch um die allgemeine Identität der Michendorfer“, so Studentin Mirka Looks. Sie und ihre Mitstreiter haben deshalb zuerst ein neues Logo entworfen. Neben dem Wappen prangt der Schriftzug „GemEINde MICHENDORF ... Ich mach’ mit!“ Denn eine eklatante Schwäche sei sofort aufgefallen: Es gebe wenig Kooperation zwischen den Ortsteilen, ein Gemeinschaftsgefühl als Gesamt-Michendorfer fehle noch. Stattdessen herrsche ein Konkurrenzempfinden zwischen den bis 2003 noch selbstständigen Orte. Dies hätten Bürger und Personen des öffentlichen Lebens, mit denen die Studenten ins Gespräch gekommen sind, erzählt. Die Gemeindevertreter und Ortsbeiräte reagierten auf diese Kritik am Donnerstagabend mehr oder weniger einsichtig.

Bei anderen angesprochenen Problemen ernteten die Studenten dagegen Zustimmung, zum Beispiel was den schlechten Zustand der Bahnhöfe angeht – hier verhandelt Michendorf schon seit Jahren mit der Bahn, auch um einen behindertengerechten Ausbau. Die Barrierefreiheit spiele für den Tourismus eine große Rolle, leider seien auch fast alle Geschäfte für Rollstuhlfahrer unerreichbar. Das Fehlen von öffentlichen Toiletten, zu wenig Bänke und zu schlicht gestaltete Spielplätze: Forderungen, die sich in Michendorf über die Jahre entwickelt haben, sind den Studenten an nur einem Tag ins Auge gefallen. Andere Sachen nehme man gar nicht mehr war, so die Bürgermeisterin, als diverse Schmuddelecken auf Fotos gezeigt wurden oder man auf prinzipielle Patzer hinwies wie Schilder, die parallel zur Straße stehen und deshalb kaum vom Auto aus gelesen werden können.

Im Michendorf stecken noch viele Potenziale, sagen die angehenden Tourismusberater, die der Gemeinde auch einige Tipps zur weiteren Entwicklung des Fremdenverkehrs mit auf den Weg gaben: „Treten sie als Gemeinde stärker nach außen und werben sie für sich“, so die Empfehlung. Die Vermarktung Michendorfs sollte dabei aus einer Hand erfolgen, so könnten Gaststätten und Herbergen auf Synergieeffekte setzen und ein gemeinsames Verzeichnis herausgeben. Schilder und Tafeln sollten informativer und bestimmte Hinweise freundlicher formuliert werden. „Kurzformen wie ,heute geschlossen’ wirken nicht sehr angenehm “, so Projektleiterin Kirchner. Das Rad- und Wanderwegenetz solle langfristig erweitert werden und landschaftliche Höhepunkte wie die Langerwischer Mühle eingebunden werden. Sogar eine Mühlenroute durch die Region sei denkbar.

In vielerlei Hinsicht müsse man nicht nur über die Ortsteil- sondern sogar über die Gemeindegrenzen hinweg blicken – sei es nach Caputh, wie Michendors Ortsvorsteher Hartmut Besch (FDP) vorschlug, oder sei es die Gemeinde Seddiner See. Die Studenten streiften bis nach Kähnsdorf, nahmen Strand und Findlingsgarten in ihre Analyse mit auf. „Ein Irrtum: Kähnsdorf gehört gar nicht zu Michendorf“, hieß es aus dem Publikum. Die schlagfertige Antwort: „Solche Grenzen sieht der Gast nicht.“

Thomas Lähns

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })