Von Tobias Reichelt: Großstadtstau statt Dorfidylle
Güterfelde wartet weiter auf eine Lösung seines Verkehrsproblems, ein Ende ist noch nicht in Sicht
Stand:
Stahnsdorf - Bei Beate Rode wackelt nachts das Bett. Was zunächst lustig klingen mag, ist für die junge Mutter seit knapp drei Jahren eine nervenraubende Dauerbelastung: Riesige Laster donnern wenige Meter vor ihrem sanierten Güter felder Fachwerkbau über die Straße. Feine Risse bilden sich mittlerweile im frischen Putz des Mauerwerks und Gläser, die im Schrank nicht richtig geordnet wurden, beginnen leise zu klirren.
Die Straßen durch den Stahnsdorfer Ortsteil Güterfelde zählen zur regionalen Verkehrsachse für täglich tausende Berufspendler und Logistikunternehmen – und das rund um die Uhr und ohne Pause, sagt Beate Rode. Zusammen mit anderen Anwohnern hat sie sich jetzt mit einem Schreiben an den Ministerpräsidenten und die zuständigen Behörden vor Ort und im Land gewandt. Die Anwohner fordern den Baubeginn für die bereits geplante Ortsumfahrung – die neue Landesstraße 40. Sie soll Potsdam mit dem neuen Großflughafen in Berlin-Schönefeld verbinden. Teilstücke der vierspurigen Magistrale sind bereits gebaut und für den Verkehr freigegeben. Erst kurz vor Güterfelde endet die Autobahn und führt direkt durch das Dorf. Bereits seit Ende Februar liegt der Planfeststellungsbeschluss für den Bau des Teilstücks um Güterfelde vor. Das Projekt wurde für baureif erklärt. Gebaut wird dennoch nicht, da anhängige Klagen gegen die geplante Umgehungsstraße das gesamte Projekt infrage stellen könnten.
Dabei fühlten sich die verkehrsgeplagten Güterfelder mit dem Planbeschluss endlich am Ziel, erklärt Sabine Lehmann, eine Nachbarin der Rodes. In einem großen Aktenordner hat sie alle Zeitungsartikel sowie Briefe und Schreiben zur Diskussion um die Ortsumgehungsstraße akribisch gesammelt. Die ältesten sind bis ins Jahr 1994 zurückdatiert.
„Unser Ziel ist es, den Ausbau der L 40 parallel zur Fertigstellung des Großflughafens in Schönefeld zu realisieren“, heißt es aus dem Landesministerium für Infrastruktur und Raumordnung, zuständig für den Bau der Umgehungsstraße. Der Flughafen soll bis zum Jahr 2012 fertig sein. Doch bevor das Gerichtsverfahren nicht beendet ist, wolle man eben mit dem Bau der L 40 um Güterfelde warten, erklärte Ministeriumssprecher Lothar Wiegand gegenüber den PNN. „Das Ministerium hat ein großes Interesse an einem zügigen Verfahren“, sagt er.
Doch verhandelt wurde bis jetzt nicht. Momentan bestehe keine Eilbedürftigkeit, erklärte der Sprecher des Potsdamer Verwaltungsgerichts, Ruben Langer, gegenüber den PNN. Schnell müsste es erst gehen, sollten die Baumaßnahmen tatsächlich beginnen. Dem stünden die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss übrigens nicht im Weg, sagt Langer. Nur baut das Land jetzt und die Klage hat später Erfolg, bleibt womöglich eine Bauruine. Bis jetzt hätten aber auch die Kläger ihre Klagebegründung noch nicht eingereicht. Zeitlichen Druck sieht das Gericht also nicht. Nur langsam geht es voran: Bis Ende Januar soll nun die erste Klage begründet werden. Vor Mitte kommenden Jahres wird es wohl keine Verhandlungen geben, schätzt Langer.
„Ich habe Angst, wenn das so weiter geht“, sagt die Güterfelderin Beate Rode. Zusammen mit ihren Nachbarn appelliert sie jetzt an die Klageführer, ihre Klage zurückzuziehen, um den Bau zu beschleunigen. Doch die Kläger, hinter denen auch die Güterfelder Bürgerinitiative „contra Nord“ steht, wehren sich bereits seit Jahren gegen die Nordumfahrung des Dorfes. Sie wollen an ihrer Klage festhalten, da die neue Landesstraße ebenso Menschen belasten und Natur sowie Landschaft zerstören würde. Auch die Bürgerinitiative sei an einer schnellen Lösung interessiert, aber eben nicht an der geplanten. Sie favorisieren stattdessen eine Südvariante, die allerdings ebenfalls aus Gründen des Umweltschutzes bereits abgelehnt wurde. Dagegen klagen sie.
„Wir verstehen die Bürgerinitiative“, sagt Beate Rode, „aber wir wollen nicht länger hinnehmen, dass Naturschutz vor Menschenschutz gestellt wird“. Sie und ihre Nachbarn haben deshalb begonnen Unterschriften zu sammeln. Sie wollen nun ein Lkw-Verbot in Güterfelde erreichen. Zumindest sollten die schweren Laster ihr Tempo drosseln müssen. Lärm, Schmutz und Erschütterungen hätten ein unerträgliches Maß erreicht, erklärt Beate Rode: „Ich bin aus Berlin auf ein Dorf gezogen, doch das erste, was ich hier am Morgen erlebe ist ein Großstadtstau vor meiner Haustür.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: