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Potsdam-Mittelmark: Grünes Band am Weinberg
Die Gärten am Werderaner Galgenberg sind am Sonntag für Besucher geöffnet
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Werder (Havel) - Rosemarie Hiller beugt sich zu ihrem Physalis-Strauch hinab, pflückt die reifen Beeren und reicht sie dem Betrachter. Das süße, kräftige Aroma hat mit dem von Supermarkt-Beeren kaum etwas gemein. Auf Hillers Parzelle des Schuffelgartens am Fuße des Galgenberges ist immer etwas reif. „Ich brauch immer was zu naschen“, sagt die 75-Jährige. Neben der Physalis wachsen gelbe Himbeeren bei ihr, verschiedene Obstbäume und Blumen in allerlei Wuchshöhen sorgen für einen Dschungel im Taschenformat. Der Duft der knallroten Plattpfirsiche aus der Nachbarparzelle weht herüber.
Vier Mieter haben 3000 Quadratmeter Gartenfläche seit 2013 unter sich aufgeteilt, am morgigen Sonntag ist der Galgenberg hinter dem Plantagenplatz auch für Besucher von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Rosemarie Hiller macht Schmalzstullen, ihr Nachbar heizt den Grill an, und Winzer Manfred Lindicke schenkt ein paar Meter den Berg hinauf seine Tropfen aus. Im Vorjahr konnte der erste Wein aus den Reben des Galgenberges gekeltert und an die Pächter der Reben verschickt werden.
Die Schuffelgärten stellen die typischen früheren Hausgärten der Werderaner nach, die sie neben den entfernteren Plantagen vor der Stadt hatten: Auf drei Etagen wachsen Obstbäume, Sträucher und bodendeckende Pflanzen auf engstem Raum. Gepflegt wurde das Ganze mit der Schuffel, einem flachen Eisenwerkzeug, das Unkraut in den lockeren Sandböden gut entfernen kann. Auch Blumen wurden für den Verkauf angebaut. „Man musste ja früher schnell was zur Hand haben, für den Verkauf an der Straße oder am nächsten Morgen auf dem Marktplatz“, sagt Walter Kassin, Chef des Obst- und Gartenbauvereins. Für die Gärten wurden vom Verein extra alte Obstsorten wie die Ontario-Äpfel oder der Rote Boskop angepflanzt, die Kassin zufolge inzwischen wieder gefragt sind. Neue Sorten könne man schließlich kaum zum Kuchenbacken oder für Bratäpfel benutzen, „die sind ja süß wie Parfüm“.
Mit den Gärten am Galgenberg unterhalb der Bismarckhöhe soll die Werderaner Gartentradition erhalten bleiben, da die meisten Bewohner der Stadt nur noch Rasen mit ein oder zwei Obstbäumen im Garten haben. „Als wir mit den Planungen angefangen haben, hieß es: Ihr müsst ja Geld haben, so eine Hanglage in der Innenstadt nicht mit Wohnhäusern zu bebauen“, erinnert sich Kassin. Heute seien die Besucher aber froh über das grüne Band von Weinberg und Garten, das die Bismarckhöhe mit der Innenstadt verbindet. Enrico Bellin
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