zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Gutachter: Friedhofs-Diebin ist vermindert schuldfähig

Teddybären, Engel und Deko-Herzen von Kindergräbern gestohlen / Bewährungsstrafe und Therapie

Stand:

Stahnsdorf – Die Eltern der verstorbenen Kinder, Verwandte und Freunde glaubten, ihren Augen nicht zu trauen. Kaum hatten sie die Gräber auf dem Stahnsdorfer Friedhof mit Teddybären, Engeln oder Herzen geschmückt, waren die Sachen auch schon wieder verschwunden. Irgendwann hatten die Trauernden eine Friedhofsmitarbeiterin im Verdacht. Ein Vater legte sich auf die Lauer, ertappte die Frau auf frischer Tat. Jetzt musste sich Gisela G.* (53) wegen Diebstahls in zehn Fällen – begangen im Zustand vermindeter Schuldfähigkeit – vor dem Amtsgericht verantworten. Zu Prozessbeginn gab sie über ihren Verteidiger ein pauschales Geständnis ab. Gisela G. erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Und sie muss sich der Therapie in einer psychiatrischen Tagesklinik unterziehen. Gisela G. machte bereits sechs Mal lange Finger. Zum Zeitpunkt der Grabschmuck-Diebstähle zwischen Juli 2006 und September 2008 stand die gelernte Facharbeiterin für Mikroelektronik unter Bewährung. Der psychiatrische Gutachter bescheinigte ihr eine durchschnittliche Intelligenz. Gisela G. sei in einem Elternhaus aufgewachsen, das von Gewalt, Feindseligkeit und Abwertung ihrer Person geprägt gewesen war. „Sie glaubt auch jetzt noch, jeder würde sie schlecht behandeln. Dadurch hat sie ständig das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen“, so der Sachverständige. Nach ihrer Scheidung im Jahr 2001 habe die mehrfache Mutter verstärkt Alkohol getrunken, auch Nikotinmissbrauch betrieben. Sie litt an Angstzuständen, innerer Unruhe und Depressionen. Mehrfach begab sie sich in stationäre Therapie, verfiel danach wieder in alte Verhaltensmuster. Gisela G. müsse es lernen, ihren Tagesablauf zu strukturieren, sonst bestehe die Gefahr weiterer Straftaten, so der Gutachter. „Sie braucht längerfristig professionelle Hilfe. Das hier war kein einfacher Ladendiebstahl. Das war ein Hilferuf. Verminderte Schuldfähigkeit ist nicht auszuschließen.“

„Und wer hilft uns Opfern?“, empörte sich einer der zahlreich geladenen Zeugen. Voller Unverständnis vernahmen sie, ihre Aussage werde nicht mehr benötigt, da die Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Auf dem Gerichtsflur schlugen die Emotionen dann hohe Wellen. „Diese Frau wird mit Samthandschuhen angefasst. Sie hat mir scheinheilig versichert, bei ihrer Arbeit auf dem Friedhof die Augen offenzuhalten. Dabei war sie selber die Diebin“, ärgerte sich eine trauernde Mutter. „Die weiß gar nicht, was sie für Schaden in unserer Psyche angerichtet hat“, meinte ein Vater. „Wenn sie so leidgeprüft ist, dann muss sie doch Verständnis für uns haben.“ „Wir hatten uns schon gar nicht mehr getraut, etwas hinzustellen. Zum Schluss haben wir die Sachen sogar angeschraubt oder angekettet“, berichtete ein weiterer Vater.

Die Angeklagte ist Bewährungsversagerin, ihre Sozialprognose eher ungünstig“, führte der Vertreter der Staatsanwaltschaft aus. Der Verteidiger versicherte, seine Mandantin sei bereit, eine weitere Therapie zu absolvieren. „Die muss sie aber erfolgreich abschließen. Sonst wird sie die Haftstrafe antreten müssen“, warnte der Ankläger. Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })