Das WAR“S: Halbwissen und Halbleiter
Das WAR“S Wie Peter Könnicke Hintergrundmaterial sammelte Vor anderthalb Jahren habe ich auf einer Pressefahrt einen älteren Kollegen kennen gelernt. Er war ein erfahrener Politikredakteur bei der Rhein-Neckar-Zeitung und beklagte sich über das Halbwissen der jungen Journalisten.
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Das WAR“S Wie Peter Könnicke Hintergrundmaterial sammelte Vor anderthalb Jahren habe ich auf einer Pressefahrt einen älteren Kollegen kennen gelernt. Er war ein erfahrener Politikredakteur bei der Rhein-Neckar-Zeitung und beklagte sich über das Halbwissen der jungen Journalisten. Die würden überhaupt keine Hintergründe kennen, ihre Texte seien oberflächlich und aus Fakten zusammengestrickt, die sie in Internet-Suchmaschinen finden. Ich nickte pflichtbewusst und witzelte, dass man den Begriff des Kugelschreibers mit Hilfe eines leicht sächsischen Akzents als Synonym der jungen Jornalistengilde neu definieren müsste: Google-Schreiber. Dem Kollegen gefiel das, ich schlich bei der nächstbesten Gelegenheit in einen Buchladen, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Ich musste an dieses kurze Gespräch denken, als ich in dieser Woche in Kleinmachnow einen pensionierten Physiker besuchte. Ich wollte etwas über das frühere Stahnsdorfer Halbleiterwerk wissen und man hatte mir empfohlen, mich mit dem ehemaligen Forschungsmitarbeiter zu unterhalten. Es war ein netter älterer Herr, der den Eindruck vermittelte, sich über Besuch zu freuen. Ich merkte das daran, dass er mich ohne Vorwarnung in ein – für meine Begriffe – wissenschaftliches Gespräch über Festkörperphysik verwickelte. Ich hörte angestrengt zu, rutschte auf dem Sofa vor und zurück und riss konzentriert die Augen auf. Mal runzelte ich gespannt die Stirn, mal machte ich anerkennend „Mmh“ und „Oh“. Manchmal legte der Physikdoktor eine kurze Pause ein, als erwarte er von mir eine Antwort oder dass ich seinen Gedankengang fachmännisch zu Ende führe. Mir erschien mein alter Mathelehrer Herr Fuhrmann, ich spürte, wie meine Hände zu schwitzen begannen und atmete auf, als der nette Herr seinen Satz selbst beendete. Im Stillen beglückwünschte ich ihn für diese Leistung. An der Stelle, wo er mit erklärte, dass irgendetwas „euklidisch“ sei, kapitulierte ich lächelnd und rettete mich in den Satz: „Ich glaube, jetzt würden wir den Zeitungsleser überfordern.“ Vielleicht hätte ich mich noch mit dem Satz aus der Affäre ziehen können, dass alles relativ sei, wenn mir mein Gastgeber nicht gleich zu Beginn erklärt hätte, dass die Festkörperphysik nicht viel mit Einsteins Relativitätslehre zu tun hat. Es hat sich gelohnt, den Physikdoktor aufzusuchen, denn er konnte mir äußerst detailliert Auskunft geben. Bevor ich mit meinen Text über das Halbleiterwerk anfing, habe ich im Internet noch nachgeschaut, wie Halbleiter funktionieren. Ich bin ein Googleschreiber.
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