
© K.-P. Anders
Von Klaus-Peter Anders: Haltestelle ohne Bus – aber mit Anschluss
Neues Konzept für möglichst hohe Lebensqualität im Wilhelmshorster Seniorenheim
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Michendorf - Weitab von den Linien des öffentlichen Nahverkehrs gibt es in Wilhelmshorst eine neue Haltestelle, an der jedoch weder Bus noch Bahn halten und die die Wartenden dennoch verbindet. Zum einen mit ihren Mitbewohnern und zum anderen mit den Betreuern und Fürsorgenden des Wilhelmshorster Seniorenheims St. Elisabeth am Ravensbergweg. Die Haltestelle, weitestgehend originalgetreu aufgebaut mit Haltestellenschildern, Fahrplänen und einer Wartebank, sei nicht zur Veralberung der Heimbewohner installiert, erläuterte Heimleiterin Katrin Leschke im Gespräch mit den PNN.
Die Haltestelle helfe vielmehr auf sehr humane Weise, den „Hinlaufimpuls“ – bezeichnet nach dem Phänomen, dass Demenzkranke zu ihrer bisherigen Arbeit und einstigen Pflichtaufgaben, ihrem bisherigen Lebensumfeld zurück wollen – aufzufangen. Sie wird vom Pflegepersonal ständig beobachtet und dient als Warte- und Beruhigungspunkt, von dem „Ausreißer“ gefühlvoll in ihr jetziges Umfeld zurückgeführt werden können. Die früher ab und an notwendig gewordenen aufwendigen Suchaktionen, teilweise mit Polizei- und Hubschraubereinsatz, gehören seitdem der Vergangenheit an.
Neben der sichtbaren Haltestelle auf dem Gelände des Seniorenheims hat sich weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ein neuer Pflegeansatz für die Betreuung der Heimbewohner etabliert: Das palliative Care-Konzept. Die palliative Geriatrie, das heißt die Behandlung von alten, kranken Menschen, ist an und für sich nicht neu, sei aber bisher speziellen Abteilungen von Krankenhäusern und Hospizen vorbehalten gewesen, so die Heimleiterin. Das Care-Konzept beinhalte eine spezielle Pflege verbunden mit medizinischer Versorgung. Beide Ansätze überlappen sich in der Anwendung und Auswirkung und bedingen einander. Dabei geht es darum, nicht dem Leben mehr Tage zu schenken, sondern den Tagen mehr Leben, wie es Cicely Saunders, (1918 – 2005), eine Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, einmal formulierte.
Das erfordert bei Demenzkranken und mit verminderten Sinnen lebenden Senioren ein ganzheitliches Arbeiten mit den Betroffenen, wozu neben den Erkrankten auch die Angehörigen zählen. Ein umfangreiches Konzept wurde von Heike Kautz, der stellvertretenden Pflegedienstleiterin und speziell damit beauftragten Schwester, erarbeitet und im Haus eingeführt. Neben den Ärzten, Seelsorgern, Schwestern und Pflegekräften sind auch sonstige Mitarbeiter wie Friseur und Hausmeister, die auf ganz anderer Ebene gute Kontakte zu den Heimbewohnern haben, in die Pflege integriert. Intern wurden zudem neun zusätzliche gerontopsychiatrische Fachkräfte und sieben Sterbebegleiter ausgebildet.
„Die Kommunikation mit den Heimbewohnern ist in jeder Phase ihres Lebens Voraussetzung für das Wohlfühlen und zur Erfassung ihres Leidens“, erläuterte Heike Kautz. Geht das nicht oder nur noch eingeschränkt durch Sprache und Gehör, müssen andere Formen einen möglichst umfassenden Ersatz bieten. Tonklang und Ausdrucksweise sowie Gestik, Mimik und Körpersprache sind dann Mittel der Verständigung. Eine breite Palette von Angeboten an den Kranken sollen dessen Lebensqualität hoch halten: Dazu gehören zum Beispiel basale Stimulation mit Aromaanwendungen über die Haut oder auch besondere geschmackliche und duftende Angebote über den Mund, die den Heimbewohnern in der letzten Lebensphase schöne Erlebnisse ermöglichen. Letztlich gehören besondere Rituale bei der Verabschiedung von Sterbenden und die nachfolgende Trauerphase für die Angehörigen zu dem erweiterten Programm des Seniorenheims.
Klaus-Peter Anders
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